Immer wieder behaupten katholische Funktionäre, die christkatholische
Religion wäre gesellschaftlich notwendig, um in der Bevölkerung ein entsprechend
moralisches Verhalten zu sichern. Dass somit Moral aus Liebe zu oder Furcht
vor katholischen Göttern entsteht. Wie weit es mit Moral innerhalb der katholischen
Kirche bestellt ist, läst sich auch jetzt im Februar 2010 an mehreren Beispielen beobachten.
Zum Beispiel in Sachen Kinderschändungen.
Wo man in den aktuellen
Fällen in Deutschland irgendwie überrumpelt wurde, weil der Leiter des
"Canisius-Kolleg" in Berlin nicht die Tür zuhielt, sondern selbst
offensiv nach Aufklärung der Tatbestände strebte. Wobei - wie immer in solchen
Fällen - diese Dinge kirchenintern schon lange bekannt waren, man verschwieg
sie, wie vom Vatikan 1962 angeordnet (vergleiche dazu Bericht des Observer
2003).
Nun weiß man zur Verteidigung vorzubringen: Rechtlich wären die Taten
eh meist schon verjährt, sie hätten nichts mit dem Zölibat zu tun und die meisten
Priester schändeten ohnehin keine Kinder. Und für die aktuellen Fälle, nu, dafür
entschuldigt man sich wieder einmal. Den zerknirschten Gesichtsausdruck dazu
beherrscht man ja sehr gut...
An anderen Schauplätzen moralisiert man
ebenfalls:
In Linz war im Juli 2009 Ferdinand Kaineder, der Pressesprecher
des Bischofs, in die Wüste geschickt worden. Seit 2006 hatte eine konservative
Gebetsinitiative namens "Kirchentreu" seinen Rücktritt
gefordert. Denn Kaineder galt als verantwortlich für eine CD, die an junge Kirchenmitglieder
ausgegeben wurde, um diesen in der Zeit der anstehenden Kirchenbeitragspflicht
ein modernistischeres Bild der katholischen Kirche zu bieten. Eine CD in der
Sex als etwas zwischenmenschlich Normales dargestellt wurde und sogar Homosexualität
keine Brandmarkung erfuhr. So eine CD sei "glaubenszerstörerisch"
fanden die "Kirchentreuen", diese CD müsse ein- und Kaineder zur Verantwortung
gezogen werden. Solange diese "kirchenzerstörerische" Aktion fortgesetzt
werde, sollen die Anhänger der "Kirchentreuen" ihren Kirchenbeitrag
auf ein Treuhandkonto einzahlen.
Die CD wurde rasch eingezogen. Nun wurde
bekannt, dass der Rücktritt Kaineders im Juli 2009 zwei Tage nach dem Abschluss
einer Vereinbarung zwischen den "Kirchentreuen" und dem Linzer Bischof
Schwarz erfolgte. "Kirchentreu"-Sprecher ist ein gewisser Gernot Steier,
Funktionär der "Christlichen Partei Österreichs", er beharrt darauf,
dass die Vereinbarung die Abberufung Kaineders beinhaltete, denn seine Initiative
habe gefordert, dass für eine Neubesetzung des Kommunikationsbüros der Diözese
jemand erwählt werde, "der die Kirche liebt und auch in Anfeindungen durch
den Zeitgeist treu zu ihr steht", Bischof Schwarz habe ihm am 22.6.2009
Kaineders Abberufung zugesagt, die am 13.7. erfolgte.
Die Diözese streitet
diesen Zusammenhang jetzt - wie in solchen Fällen gewohnt - natürlich ab. Und
am Sonntag predigt man wieder über Moral. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung!
Zur
eingezogenen CD: der Antimodernismuskampf war nicht nur im 19. Jahrhundert die Hauptaufgabe
der katholischen Kirche, nein, er bleibt es auch im 21. Jahrhundert!
Ein
ähnliche aktuelle Geschichte liegt aus dem Vatikan vor:
Dino Boffo,
Chefredakteur von Italiens katholischer Tageszeitung L'Avvenire ("Der Morgen"),
trat im September 2009 zurück. Der Rücktritt Boffos geschah, weil er von einer
anderen Zeitung beschuldigt worden war, er sei schwul, habe deshalb Schwierigkeiten
mit der Polizei gehabt ("Belästigungsverfahren mit homosexuellen Untertönen")
und außerdem die Ehefrau eines homosexuellen Freundes bedroht. Nun tauchten
Meldungen auf, dass erstens die Behauptungen über Boffo unwahr sind und zweitens
der Direktor des 'L'Osservatore Romano' hinter den Meldungen stecken soll. Zwischen
der Bischofskonferenz und dem Kardinalstaatssekretär des Vatikans, Tarcisio
Bertone, schwele schon lange ein Machtkampf. Deshalb soll der Vatikan versucht
haben, L'Avvenire, das Sprachrohr der Bischofskonferenz, in Misskredit zu bringen.
Der
Vatikan weist die Anschuldigungen zurück. Beweisbar werden sie kaum sein.
Wie
immer gilt die Unschuldsvermutung!