Im Lichte des Missbrauchs

Leitartikel von Ali Grasböck, OÖNachrichten vom 26.2.2010

Das Kreuz ist nicht nur Zeichen des Glaubens, es steht auch für die Kultur des christlichen Abendlandes. Es ist Angriffen ausgesetzt, man erinnere sich an die Diskussionen über Kreuze in Schulklassen. Manchmal wird es auch im Wahlkampf missbraucht, weil man damit Stimmen und Macht gewinnen will ("Abendland in Christenhand").

Der größte Schaden droht dem Kreuz jedoch aus den Reihen derer, die es im Namen Christi tragen. Die erschütternde Vielzahl an Verbrechen durch so genannte Gottesmänner birgt die Gefahr, dass das Kreuz in vielen Köpfen eine zusätzliche Bedeutung bekommt: als Symbol für sexuellen Missbrauch.

Die Schamlosigkeit ist atemberaubend. Man darf annehmen, dass es vorwiegend gläubige Christen sind, die ihren Kindern Gutes tun wollen, indem sie sie der Kirche näherbringen. Und ausgerechnet dort, wo man sein Kind in besten Händen glaubt und wo so viel von Seelenheil gesprochen wird, werden Kinderseelen durch Missbrauch zerstört. Widerlicher kann ein Vertrauensbruch nicht ausfallen.

Noch abstoßender wird das Bild bei der Vorstellung, dass es auch Serientäter im Priesterkleid gibt. Und dass diese Männer vielleicht nur deshalb immer wieder zuschlagen konnten, weil Verdachtsmomente unter den Teppich gekehrt wurden. Der Papst muss sich vorhalten lassen, in seiner früheren Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation im Jahr 2001 alle Bischöfe dazu vergattert*) zu haben, bei Pädophilie absolute Geheimhaltung zu wahren.

Die Kirche braucht keine Ratschläge von außen, und es ist ihre Angelegenheit, wie sie es mit der Sexualität hält. Aber wenn ihre Vertreter kriminell handeln, haben weltliche Maßstäbe zu gelten.

Das ungute Licht, das auf das Kreuz fällt, trifft leider auch die vielen Priester mit reinem Gewissen. Sie werden damit leben müssen. Denn es ist nur natürlich, dass Eltern zunehmend vorsichtig werden, wenn es um Kind und Kirche geht.

Anm. d. HP: *) Kardinal Ratzinger erinnerte damals daran, dass die vatikanische Vertuschungsvorschrift von 1962 immer noch anzuwenden sei.