Nachdem der Christenparteikandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten,
Dr. Rudolf Gehring, am 6. April 2010 seinen Wahlkampf unterstützt von einer Volksmasse von
dreißig Anhängern mittels eines Gottesdienstes eröffnet hatte, reagierte die
Diözese Wien recht sauer und versandte folgendes Schreiben an die kirchlichen
Dienststellen:
"Sehr geehrter Herr Pfarrer, sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen,
der Wahlkampf des Präsidentschaftskandidaten der "Christlichen
Partei Österreichs", Dr. Rudolf Gehring, wurde am Dienstagabend mit einer
Messfeier in der Pfarrkirche St. Paul in Wien-Döbling begonnen. Zu dieser Messfeier
waren offensichtlich auch ausdrücklich Journalisten eingeladen.
In diesem
Zusammenhang erinnert Generalvikar Msgr. Mag. Franz Schuster daran, dass jede
Instrumentalisierung des Gottesdienstes und kirchlicher Gebäude für politische
Zwecke entschieden abzulehnen ist. Christen können in politischen Fragen - bei gleicher Sorgfalt der Gewissensentscheidung
- zu unterschiedlichen Lösungsvorschlägen
kommen. Für diese Vorschläge dürfen sie aber nicht die Autorität der Kirche
in Anspruch nehmen, sondern sie handeln in eigener Verantwortung. Konsequenz
aus dieser grundsätzlichen Feststellung ist, dass Parteipolitik aller Art im
engeren kirchlichen Bereich keinen Platz hat.
Selbstverständlich sind Christen
zum politischen Engagement, zum Einsatz für das Gemeinwohl, aufgerufen. Parteipolitik
hat aber im gottesdienstlichen Raum nichts verloren."
Und dass obwohl Gehring ein sehr streng katholischer Mensch ist, der von
anderen streng katholischen Menschen geschätzt wird, wie z.B.: "Auch ich
wähle Dr. Rudolf Gehring. Als bekennender CHRIST, dem WERTE wichtig sind, ist
es meine HEILIGE PFLICHT, Dr. Rudolf Gehring zu wählen. Mit einem UNGLÄUBIGEN
als Oberhaupt des Staates ist Österreich dem UNTERGANG geweiht. Möge die Macht
mit uns sein!"
In Österreich waren seit 1945 fünf von acht Bundespräsidenten
ungläubig: Renner, Körner, Schärf, Jonas und zuletzt Fischer. Trotzdem ist Österreich
bisher überhaupt kein einziges Mal untergegangen. Letztmalig ging Österreich
1938 unter einer tiefgläubigen klerikalfaschistischen Regierung widerstandslos
unter ...
Warum distanziert sich die katholische Kirche von einem zutiefst katholischen Kandidaten? Dem Christenkandidaten werden bei den Meinungsumfragen ca. zwei Prozent Stimmenanteil prophezeit. Das dürfte der katholischen Kirche zuwenig sein. Laut einer "Wahlumfrage" vom 1. April könnte Gehring mit 18 Prozent rechnen, wenn diese Umfrage kein Aprilscherz gewesen wäre, hätte die katholische Kirche vermutlich freundlicher reagiert. Weil 18 Prozent strenggläubige Katholiken wären eine Sensation! So viele gab es vielleicht vor fünfzig Jahren! Wenn es am Wahltag doch nur zwei Prozent werden, nu, dann hat man sich ja rechtzeitig selber vor diesem Sektierer auf Distanz gebracht. Gehring glaubt nicht nur an Gott, sondern möglicherweise auch an die 18 Prozent der Aprilscherzumfrage: denn er glaubt auch daran, gegen Fischer in eine Stichwahl einziehen zu können ...