Innerkirchliche Kritik

An den Beschlüssen der katholischen Bischofskonferenz zu den klerikalen Missbrauchsfällen gibt es innerkirchliche Kritik. Der Plattform-Vorsitzender Peter Hurka von "Wir sind Kirche" (Verein zur Förderung von Reformen in der römisch-katholischen Kirche) findet die gesetzten Schritte für nicht ausreichend.

Deshalb wurde eine "Initiative für eine neue Kirchenverfassung" erarbeitet. Eine solche Kirchenverfassung müsse sich an den Menschenrechten orientieren, als Eckpunkte nannte er die Prinzipien der Gewaltenteilung, der Subsidiarität (Selbstverantwortung kleinerer Gemeinschaften, etwa der Pfarren), der Repräsentanz, der Mitwirkung sowie das Prinzip der befristeten Amtszeiten, der Rechenschaftspflicht und das Prinzip der Schriftlichkeit. Alle Leiter und Leiterinnen auf allen Ebenen kirchlicher Verantwortung sollten durch Wahlen zu ihren Ämtern bestellt werden (einschließlich der Kardinäle und Päpste). Die Amtszeit soll begrenzt, die Wiederwahl nur einmal möglich sein (das erinnert irgendwie an die Frühzeit der Grünen, das wurde dort sehr rasch abgeschafft). Im Vergleich des bisherigen Umgangs der katholischen Kirche mit widersetzigen Priestern und priesterlichen Kinderschändern wird Rechtsschutz für Nicht-Kinderschänder gefordert (z.B. für Priester die bei einem ökumenischen Gottesdienst auch an Nichtkatholische die Kommunion verteilten und dafür Berufsverbot bekommen hatten). Die Frage des Zölibates müsse dazu noch gar nicht angesprochen werden. Unterstützt werden die Kirchenverfassungsvorschläge durch die innerkirchlichen Oppositionsgruppen Priester ohne Amt, Pfarrerinitiative und Laieninitiative.

Aussicht auf Erfolg erhofft sich Hurka von einem entsprechenden Vorgehen an der Kirchenbasis ("Pfarrverfassungen") und anhaltendem öffentlichen Druck gegen die oberen Führungsetagen.

Hubert Feichtlbauer ebenfalls von der Plattform "Wir sind Kirche", meint, die Kirche könne sich auch mit noch so hohen Geldleistungen nicht vom Ansehensverlust loskaufen. Die Missbrauchsfälle seien nicht die Ursache, sondern der Auslöser der Kirchenaustritte von Menschen, "die schon viel geschluckt haben und nun sagen, jetzt reicht's mir."

Außerkirchliche Kritik gibt es vom Psychologen Holger Eich, Mitbegründer und Mitarbeiter des Wiener Kinderschutz-Zentrums: "Mir fehlt eine Analyse zur Frage: Wie ist es möglich, dass in der Kirche solche Dinge passiert sind? Man bietet den Opfern etwas an, nur wird nicht geschaut, welche Strukturen in der Kirche damit zu tun haben, dass Menschen, die der Kirche anvertraut worden sind, missbraucht oder misshandelt worden sind. (..) Die müssten sich damit auseinandersetzen, wie sie Sexualität überhaupt einschätzen, dass sie eine extrem verquere Meinung über Sexualität haben. Das alles wird in diesem Papier nicht benannt."

Im Journal-Panorama in Ö1 am 23.6. diskutierten etliche Kirchenleute über die aktuellen Probleme. Wie nicht anders zu erwarten, wurde die Frage des sinkenden religiösen Interesses nicht grundlegend angegangen. Was auch kaum möglich wäre, weil dazu müsste man zur Einsicht kommen, dass im Europa des 21. Jahrhunderts der Bedarf für eine intensive religiöse Bindung einfach immer geringer wird. Egal, ob jetzt gerade ein kirchlicher Skandal umgeht oder nicht. Der liebe Jesus ist kein Sküs*) mehr.

*) oberste Trumpfkarte im Tarockspiel