Gottesbeweise
lassen die Theologen ja seit Jahrhunderten auf die Menschheit los. Bisher war
kein einziger dabei, der argumentiv standhalten konnte. Im Interview mit der
"Welt am Sonntag" vom 11.7.2010 lieferte der deutsche Kardinal Joachim
Meisner nun einen neuen, bisher noch nicht gehörten "Gottesbeweis":
Welt
am Sonntag: "Ist es schon zu früh für eine Bilanz des von Benedikt ausgerufenen
Priesterjahres? Ist die Rolle der Geistlichen gestärkt worden?"
Meisner:
"Die Wichtigkeit des priesterlichen Dienstes ist für die Träger und für das
Volk tiefer erkannt worden. Und eben auch: wie wichtig die Gabe des Zölibates
ist. Denn darin liegt ja der Stachel für unsere Gesellschaft. Darum wundert
es gar nicht, wie sehr sie dagegen anrennt. Bei einem Zölibatär muss man immer
sagen: Entweder ist der verrückt, oder es gibt Gott. Eine andere Alternative
gibt es nicht. Und wenn die Menschen feststellen, der ist nicht verrückt, dann
muss es Gott geben. Überzeugend gelebt ist der Zölibat immer noch der schlagendste
Gottesbeweis."
Also "schlagende Beweise" von Gottes irdischer
Macht haben ja viele Kleriker geliefert, aber nicht als Gottesbeweise, sondern
als - meist verjährte - Straftaten. Dass es nur die Alternativen "verrückt"
oder "es gibt Gott" möglich wären, ist eine sehr sonderbare Idee.
Geistliche, die körperlich keine Probleme mit einem sexuallosen Leben haben,
beweisen keinen Gott, sondern fehlendes C19H28O2,
Testosteron genannt. Geistliche, die homosexuell sind, beweisen auch
nicht Gott, sondern dass der Zölibat Homosexuelle überproportional fürs Priesteramt
anzieht, laut Pastoraltheologen Zulehner dürften in Österreich knapp ein Drittel
der Priester homosexuell sein, laut derselben Zulehner-Umfrage*) bekennen sich knapp 20 % der Priester zu weiblichen
Beziehungen, was somit auch nicht die Existenz Gottes, sondern die Existenz
heterosexuell aktiver Priester beweist. Die restlichen nicht asexuellen Geistlichen
werden zu erheblichen Prozentsätzen dazu neigen, die körperliche Hormonplage
auf die Art zu bewältigen, die man auch ohne Partner (h)an(d)wenden kann. Dass
Kardinäle oft schon "jenseits von gut und böse" sind, wirkt als Gottesbeweis
auch nicht direkt überzeugend.
*) etwas mehr als
15 % der 67 %, die sich in dieser Umfrage zu einem eigenen, selbstverantwortlichen
Weg im Umgang mit dem Zölibat bekannten, deklarierten sich nicht eindeutig,
siehe Info Nr. 223
Meisner legte in diesem Interview auch
sonst noch bemerkenswerte geistige Erkenntnisse vor. Wie zum Beispiel: der
aktuelle Papst sei "das größte Hindernis für die modernen Atheisten. An
der Philosophie und Theologie von Joseph Ratzinger kommen sie nicht vorbei."
Oder: die Französische Revolution habe "die Feindschaft zur Kirche als
Aufklärung verkauft".
Die Ursachen der aktuellen Probleme kennt
er natürlich auch:
Welt am Sonntag: "Wie sehr sind Sie entsetzt
über all das, was in Ihrer Kirche jüngst geschehen ist?"
Meisner:
"Noch im Januar hätte ich mich eher einsperren lassen, als anzunehmen, dass das
alles wahr ist. Dass es das auch bei unseren Priestern in Deutschland gibt,
das war für mich eine bittere Wahrheit. Das war ein furchtbarer Schock. Doch
eigentlich bin ich auch bestätigt worden, dass dort, wo es um die Heiligung
der Priester geht, sofort auch der Diabolos, der Durcheinanderbringer, die Gegenposition
einnimmt - der dem Reich Gottes am Ende aber auch nur dienen kann. So ist es
nun auch nur gut, dass diese Untaten endlich ans Licht gekommen sind."
Ratzinger
hatte gesagt, der Teufel habe zwecks Störung des Priesterjahres den pfäffischen
Missbrauch an Kindern aufgedeckt (siehe Info Nr. 206),
Meisner sieht das nicht so, er sieht die teuflische Missbrauchsaufdeckung als
letztlich göttliche Hilfeleistung. Vielleicht sollte er mit Ratzinger ein
Fachgespräch darüber führen.
Aber Meisner ist ein Optimist. Man habe
jetzt die Talsohle erreicht, nun gehe es wieder aufwärts: "Wir gehören
nicht in die Gosse. Wir gehören in die Nähe des Herrn." Nämlich weil: "Wo
die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden." Könnte
es da nützlich sein, noch mächtiger zu sündigen, um die Gnade ganz überdrüberhyperübergroß
zu machen?