Neue Missbrauchs-Leitlinien in Deutschland

Die Deutsche Bischofskonferenz stellte am 31. August 2010 die Neufassung Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch vor. Mit vollen Namen heißt die Vorschrift "Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz".

Die bisherigen Vorschriften in der Fassung von 2002 hatten immer noch Vorsorge dafür getroffen, Vertuschungen relativ leicht organisieren zu können. Eine Art Pflicht zur Anzeige gab es nur gegenüber den Kirchenämtern, der Bezug zu den staatlichen Behörden war ungeregelt.

Das wird nun geändert, der zentrale neue Punkt ist die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden. Allerdings hält man sich hier auch eine je nach Situation kleine oder große Tür offen. Die Anzeige muss nämlich nicht verpflichtend erstattet werden, man kratzt die Kurve mit dem Argument, es sei notwendig "ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anzeigenpflicht und der Gewährleistung eines Opferschutzes zu erreichen". Also wenn es dem Schändungsopfer (oder dessen Eltern) gar zu peinlich ist, vom Herrn Pfarrer sexuell attackiert worden zu sein, dann darf man auch weiterhin vertuschen.

Bischof Ackermann: "Die Pflicht zur Weiterleitung entfällt nur ausnahmsweise, wenn dies dem ausdrücklichen Wunsch des mutmaßlichen Opfers, bzw. dessen Eltern oder Erziehungsberechtigten, entspricht und der Verzicht auf eine Mitteilung rechtlich zulässig ist. In jedem Fall sind die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten, wenn weitere mutmaßliche Opfer ein Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung der Taten haben könnten." Wobei anscheinend die Kirche für sich in Anspruch nimmt, eine angemessene Abwägung zwischen Täter und Opfer treffen zu können.

Generell vorbeugend soll hinkünftig von Leuten, die im kirchlichen Bereich haupt- oder nebenberuflich in der Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt werden sollten, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden müssen, also so eine Art Päderasten-Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Meldestellen für Schändungsopfer sollen nicht mehr im direkten Nahbereich der Diözesanleitungen eingerichtet werden, um den Opfern einen niedrigschwelligen Zugang zu sichern.

Eine Aussage dazu, wie Zölibatäre mit ihren körperlich-hormonellen Bedürfnissen umgehen sollen, wurde nicht getätigt. Man hofft vermutlich, dass Verletzungen der Sexverbote sich hinkünftig nur noch im strafrechtlich nicht betroffenen Bereich bewegen, also: wichsen und schnackseln. Den Bischöfen wird das sowieso wurscht sein können, weil altersbedingt jucken die meisten der Herren eh keine Hormone mehr ...

PS: Ein Bericht vom 2.9. in "TOP Medien - The Other Press" weist auf einen bedenklichen Umstand in den neuen Richtlinien hin. Es heißt dort: " (..) fällt auf, dass mit dem verstärkten Prinzip der Schriftlichkeit die Vorwürfe offenbar justiziable gemacht werden sollen. Diesem dient offenbar auch die Zuziehung von Vertrauenspersonen (wohl in der Regel ein Rechtsanwalt) und die Drohung, beim Nichterweis des Vorwurfes zur Rechenschaft gezogen zu werden. Im Zweifelsfall wird die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers getestet. Das Mißtrauen gegenüber dem "mutmaßlichen" Opfer bleibt also bestehen. Damit ist die gerichtliche Auseinandersetzung vorprogrammiert. Wenn die kirchliche Untersuchung ohnehin auf eine gerichtliche Klärung hinausläuft, dürfte der Gang zur Staatsanwaltschaft der effektivere Weg sein. Dies setzt aber voraus, daß die Verjährung fällt. Hier hat der Staat seine Aufgabe zu erfüllen."