Wenig überraschend, dass Sarrazins Vorwürfe über die mangelnde Integrationsbereitschaft
und das niedrige Bildungsniveau im Bereich der muslimischen Zuwanderung bei den Deutschnationalen und den Rechtspopulisten
auf begeisterte Zustimmung stoßen. In Österreich zitiert FPÖ-Chef HC Strache
euphorisch den SPD-Mann Sarrazin. Aber er müsste ein Vollidiot sein, täte er
das nicht!
Dass Strache nicht direkt als großer Denker in Erscheinung
tritt, zeigte sich u.a. auch bei den letzten bundesweiten Wahlen in Österreich. Bei der
EU-Wahl 2009 meinte er mit dem Slogan "Abendland in Christenhand"
massenhaft ÖVP-Wähler für sich mobilisieren zu können. Das funktionierte nicht,
mehr als die Hälfte der FPÖ-Wählerschaft der NRW 2008 wählte anders oder blieb
daheim, unter eine "Christenhand" wollten auch die Xenophoben nicht unbedingt
geraten. 2010 probierte es Strache mittels der Frau Rosenkranz bei der Bundespräsidentenwahl
pur deutschnationalistisch. Das interessierte das Publikum ebenso wenig, das
mögliche FPÖ-Wählerpotential wählte zu fast zwei Drittel anders oder blieb daheim
(FPÖ und BZÖ hatten bei der NRW 2008 fast 1,4 Millionen Stimmen, Rosenkranz
erhielt nicht einmal eine halbe Million).
Für Strache und die Wiener
Wahlen waren die Meldungen von Schakfeh über dessen Wunsch nach Moscheen mit
Minaretten und die Äußerungen Sarrazins aufgelegte Elfer.
Was nämlich
in den linken Kreisen ständig vollständig vergessen oder ignoriert wird, ist
eben, dass es tatsächlich Probleme im islamisch-türkischen Migrationsbereich
gibt, dass es tatsächlich eine massive Ablehnung der islamischen Religion gibt.
In Österreich sind bis über 70 Prozent der Bevölkerung kritisch gegen den Islam
eingestellt. Meinungsumfrage vom Winter 2010: 71 Prozent der Österreicher
glauben, dass der Islam mit westlichen Vorstellungen von Demokratie, Freiheit
und Toleranz nicht vereinbar sei, 72 Prozent kritisieren die mangelnde Anpassungsbereitschaft
von hier lebenden Moslems. 54 Prozent der Österreicher glauben, dass der Islam
eine "Bedrohung für den Westen ist". 59 Prozent sind gegen Minarette,
51 Prozent finden, dass der Bau von Moscheen und das Tragen islamischer Kopftücher
überhaupt verboten sein sollte.
Da wir in der demokratischen Republik
Österreich leben, müsste es wohl auch eine Selbstverständlichkeit sein, solche
Dinge wahrzunehmen und sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen. Aber man
setzt sich inhaltlich damit überhaupt nicht auseinander, sondern nur moralisch.
Sich damit zu befassen, sei unmoralisch, ausländerfeindlich, rechtsextrem usw. Der Schreiber
dieser Zeilen bemüht sich seit Jahren darum, dass sich auch die politische Linke
mit diesem gesellschaftspolitischen Gebiet befasst. Nicht mit dem erhobenen
Zeigefinger ("du du, das tut man nicht, den Strache wählt man nicht), sondern
eben sachlich und inhaltlich. Es ist noch nicht solange her, dass es sogar als
unverschämtes Verlangen galt, Zuwanderer verstärkt zum deutschen Spracherwerb
anzuhalten. So konnte über die Jahre die Ausbildung einer türkisch-islamischen
Parallelwelt vorangehen, ohne dass dies auch nur ein Wimpernzucken in der Politik
auslöste. Jetzt besteht diese Parallelwelt, reproduziert sich bereits in
der Generationenabfolge, verhindert Integration, ganz zu schweigen von einer
Assimilation. Aber das Tabu bleibt. Wenn diese Entwicklung von 50 bis 70
Prozent der Bevölkerung abgelehnt wird, dann ist das moralisch verwerflich und
politisch unkorrekt und damit unveränderbar. Wem hilft das? Den Leuten,
die sich davor ängstigen, die den diesbezüglichen deutlichen Veränderungen in ihrer
gewohnten Daseinswelt ablehnend gegenüber stehen? Den Migranten, die in Ghettos
mit patriarchalen und bildungsfernen Traditionen leben?
Oder letztlich der
FPÖ?
In Schweden sind demnächst Parlamentswahlen. Schweden ist
das große Musterland der europäischen Migration. Darum sei hier Aktuelles
aus Schweden angeführt. Zurzeit regiert dort eine bürgerliche Koalition, die
drei linken Parteien sind in Opposition. Am rechten Rand kandidiert die Partei
"Schwedendemokraten". Die setzt unvermeidlich auf das Thema Islam.
Ein TV-Werbespot wurde vorerst wegen seines islamophoben Inhalts nicht gesendet,
als der Spot in YouTube hunderttausende Mal downgeloaden wurde, in zensierter
Fassung dann doch noch. Hier der Spot:
Ausländerhetze? Ja, sicher. Aber gibt es nicht auch in Schweden wirklich
Probleme im Migrantenbereich? Der schwedische Einwanderungsminister
(sowas gibt's dort!) Tobias Billström sprach im Wahlkampf vom Scheitern der
Integrationspolitik in Schweden, Standard vom 3.9.: " .. Er greift damit
ein heißes Eisen auf. Die Arbeitslosigkeit unter Immigranten ist doppelt so
hoch wie unter in Schweden Geborenen; jeder vierte Einwanderer zwischen 18 und
45 Jahren hat laut einem aktuellen Integrationsbericht nach neun Jahren Aufenthalt
im Land nicht eine einzige Stunde gearbeitet, und in den Ausländerghettos am
Rande der Großstädte gedeihen Kriminalität und muslimischer Extremismus." Billström
ist von der Moderata Samlingspartiet (Gemäßigte Sammlungspartei, bürgerlich-konservativ
und wirtschaftsliberal, sie ist die stärkste der Regierungsparteien und stellt
den Ministerpräsidenten).
Warum wird der Migrationsminister das Thema jetzt ansprechen?
Weil es keine Probleme gibt? Oder weil er weiß, das Ignorieren hilft den ganz
Rechtsrechten?
Was sollte man
aus Wortmeldungen und Buchveröffentlichungen a la Sarrazin
lernen? Moralisierendes Protestgeschrei bewirkt nichts, es löst keine
Probleme, es ändert keine Meinungen, es verursacht maximal schlechtes Gewissen.
Der Schreiber dieser Zeilen erlebt es seit Jahren immer wieder. Wenn er sich
kritisch über österreichische Integrationsmaßnahmen äußert oder gar über
die türkisch-islamische Parallelwelt lästert, blicken sich Gesprächspartner
- die fast durchwegs aus dem linken Bereich stammen - zumindest sinnbildlich
- vorsichtig nach links und rechts um und meinen mit gedämpfter Stimme, das hätten sie sich auch schon oft gedacht.
Wo samma denn? Wollen wir weiterhin
gesellschaftspolitische
Schwierigkeiten ignorieren, ableugnen, weil sie der Strache politisch nutzen kann? Oder
wird hier nicht eindeutig Ursache und Wirkung verwechselt? Dass also Strache
die Ursache davon ist, dass 50 bis 70 Prozent der ÖsterreicherInnen der islamischen
Parallelwelt mit Abneigung gegenüberstehen.
Davon auszugehen, dass Strache
die Ursache ist, so deppert, bitte schön, sollten wir nicht sein.
PS:
Siehe zum Thema Islam auch Info 123.