ORF: Religion leitet Wissenschaft

Zur Vorgangsweise des ORF die Abteilung Wissenschaft unter die Oberherrschaft des Abteilungsleiters für Religion zu stellen, hat es leider in Österreich viel zuwenige Diskussionen gegeben, (siehe dazu Standard, Info Nr. 281 und Info Nr. 286), hat die "Initiative Religion ist Privatsache" am 1. Oktober 2010 einen neuen Aspekt eingebracht:

Zusammenlegung der ORF TV-Abteilungen Religion/Wissenschaft, rechtliche Schritte der Initiative Religion ist Privatsache

Unlängst hat der ORF die Zusammenlegung der TV-Abteilungen Bildung/Zeitgeschichte (vulgo: "Wissenschaft") und Religion unter der Regie des ehemaligen Chef der Religionsabteilung, Herrn Gerhard Klein, vollzogen. Herr Klein, katholischer Theologe, war vor seinem Diensteintritt beim ORF als Religionslehrer und theologischer Assistent der Erzdiözese Wien tätig und darüber hinaus war sein Werdegang von langjähriger katholisch orientierter Medienarbeit geprägt, ob als Generalsekretär des katholischen Zentrums für Massenkommunikation, als Chefredakteur der Zeitschrift "multimedia" oder als Geschäftsführer der katholischen Medienakademie.

Die de-facto Subordinierung der Wissenschaftsabteilung zur Religionsabteilung und die Bestellung einer Person, die eindeutig mit einer Religionsgemeinschaft zu identifizieren ist, ausgerechnet für die Leitung dieser spezifischen Abteilung, verkörpert nicht nur eine Verachtung der konfessionsfreien Zuschauerinnen und Zuschauer des ORF sondern ist auch dazu geeignet, den ORF nachhaltig bei der Erfüllung seines gesetzlich festgelegten Auftrages zumindest teilweise zu hindern.

Gem. §1 Abs 3 ORF-Gesetz 2010 hat nämlich der ORF bei der Erfüllung seines Auftrages "die (…) Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks (…) zu gewährleisten".
Ferner beinhaltet der Programmauftrag des ORF gem. §4 Abs 3 Z.5 ORF-Gesetz ausdrücklich "die Vermittlung und Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft". §10 Abs 9 ORF-Gesetz präzisiert in seinem unmissverständlichen Wortlaut diese Bestimmung: "Der Österreichische Rundfunk hat im Dienst von Wissenschaft und Bildung zu stehen".

Die Initiative Religion ist Privatsache betrachtet die jüngsten Maßnahmen des ORF als nachhaltig, politisch motiviert und keineswegs sachlich gerechtfertigt. Diese dienen in der Tat dem Ausbau des Einflusses der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften - allen voran der katholischen Kirche - jenseits der ohnehin im ORF-Gesetz enthaltenen Privilegierung dieses - ständig an Bedeutung verlierenden - Sektors. Und dies als öffentliche Einrichtung und auf Kosten aller Steuerzahler.

In einem Schreiben fordert nun die Initiative Religion ist Privatsache den ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz auf, diesen Missstand unverzüglich zu beseitigen bei sonstigem Einsatz von juristischen Mitteln.

Es ist ausdrücklich zu betonen, dass dieses Schreiben keineswegs als persönliche Attacke gegen Herrn Klein zu verstehen ist; der Initiative liegen keine Indizien vor, die auch nur im Entferntesten konkrete Zweifel an seiner persönlichen Integrität bzw. Professionalität aufkommen lassen würden. Es ist jedoch ernsthaft zu bezweifeln, dass eine hypothetische, professionell geführte Ausschreibung der Leitung der Wissenschaftsabteilung in Anlehnung an die Qualifikationsbestimmungen des §26 Abs 1 Z.2 ORF-Gesetz zu einer Besetzung durch einen Theologen, der den kirchennahen Werdegang des Herrn Kleins aufweist, geführt hätte. Ebenso wenig wie die Besetzung der Religionsabteilung durch einen bekennenden Atheisten und Religionskritiker.

Das Team der Initiative Religion ist Privatsache,
http://www.religion-ist-privatsache.at/