Das
Vatikanschreiben Actus Formalis Defectionis Ab Ecclesia Catholica aus dem Jahr
2006 sorgt weiterhin für Diskussionen und Reaktionen in den deutschsprachigen
Ländern, diesmal in Österreich. Die Österreichische Bischofskonferenz veröffentlichte
ein Heft über das Thema, wie man kirchenrechtlich richtig aus der Kirche
austritt.
Nur in Österreich, aber in keinem anderen Land gibt es einen "Kirchenbeitrag"
in der Form wie den Mitgliedsbeitrag in einem Verein. In Ländern mit Staatsreligion
(z.B. England) zahlt der Staat die kirchlichen Kosten, in anderen
Ländern (z.B. Italien) gibt es eine "Kultursteuer", die jeder Steuerpflichtige zahlen muss, aber das Recht hat, zu bestimmen,
an
welche Institution seine Steuer gehen soll (also z.B. an die Kirche oder an
Amnesty oder das Rote Kreuz), in anderen Staaten finanzieren sich die Kirchen
aus den eigenen großen Vermögen und freiwilligen Beiträgen und Spenden. Wenn
daher z.B. ein Italiener katholisch getauft, aber sauer auf die katholische
Kirche ist, dann schickt er seine Kultursteuer vielleicht ans SOS-Kinderdorf, bleibt
jedoch offiziell weiterhin katholisch. Wenn er wirklich nimmer katholisch sein
will, muss er seine katholische Eintragung im kirchlichen Taufbuch streichen lassen,
also Auge in Auge mit einem Kirchenfunktionär vom Glauben abfallen.
In Deutschland gibt's die Kirchensteuer, die von den Finanzämtern mit der
Lohn- und Einkommenssteuer eingehoben wird, Kirchenmitglieder können den religiösen
Eintrag auf ihrer Lohnsteuerkarte streichen lassen und sind dann konfessionslos
und nimmer kirchensteuerpflichtig. Das wollte ein Deutscher rechtlich getrennt
wissen, also keine Kirchensteuer mehr zahlen, aber trotzdem katholisch bleiben.
Was die katholische Kirche in der BRD nicht, aber der Vatikan schon als zulässig
sah, siehe darüber Info Nr.278.
In Österreich ist die Lage ähnlich wie in Deutschland, seit dem Staatsgrundgesetz von 1867 darf man aus der Kirche austreten, allerdings muss man dies bei staatlichen Stellen (BH oder Magistrat) tun, der Austritt erfolgt also nicht als Glaubensabfall gegenüber kirchlichen Stellen, sondern als staatlicher Formalakt. Was auch hierzulande die Frage offen lässt, ob ein Kirchenaustritt auf der BH dem kirchenrechtlich geforderten förmlichen Abfall von der katholischen Kirche (Actus Formalis Defectionis Ab Ecclesia Catholica) entspricht.
Darum will man nun mit einer kirchlichen Publikation der Frage kirchenrechtlich auf
den Leib zu rücken. Darin werden natürlich ausgiebigst alle passenden Paragraphen
aus dem CIC (Codex Iuris Canonici, das für die römisch-katholische Kirche heute
maßgebende Gesetzbuch des kanonischen Rechts) zitiert und schließlich wird die
daraus resultierende Regelung angeführt:
1. Das Matrikenreferat (Matriken
= Kirchenbücher über Geburt, Heirat, Tod) bearbeitet die von der Bezirkshauptmannschaft bzw.
dem Stadtmagistrat übermittelte Meldung des Kirchenaustritts und informiert
die zuständige Kirchenbeitrags-Servicestelle.
2. Der Bischof schreibt an den / die Ausgetretene/n und kündigt dabei die
Kontaktaufnahme durch den Pfarrer an; zugleich wird auf die Folgen des Austritts
hingewiesen und eine Drei-Monats-Frist zum formlosen Widerruf unter genauer
Angabe des Fristablaufs, d. h. ab Datum des Bischofsbriefes gesetzt.
3. Der Bischof schreibt auch dem Wohnsitzpfarrer des /der Ausgetretenen und
lädt ihn zur Kontaktaufnahme mit der betreffenden Person ein.
4. Zeitgleich mit dem Brief an den /die Ausgetretene/n wendet sich der Bischof
schriftlich auch an die Taufpfarrei, um zu verhindern, dass im Falle eines "Austritts
in Schwebe" ein Taufschein oder eine Taufscheinergänzung ausgestellt werden.
5. Für die Kontaktaufnahme des Pfarrers mit dem /der Ausgetretenen sieht
die diözesane Regelung 2 Varianten vor, den Widerruf der Kirchenaustrittserklärung
durch die ausgetretene Person ohne weitere Konsequenzen bzw. die Eintragung
des Austritts aus der römisch-katholischen Kirche mit Datum des Austritts vor
der staatlichen Behörde, wenn der /die Ausgetretene bei seiner / ihrer Entscheidung
bleibt.
6. Eine Eintragung des Kirchenaustritts erfolgt auch dann, "wenn seitens
der Pfarre keine Kontaktaufnahme durchgeführt wurde oder das Formular nicht
zurückgesandt wurde". (..)
Damit will man der vatikanischen Regelung Genüge getan haben: "Gemäß
der Regelung durch die Österreichische Bischofskonferenz vom März 2007 gilt
"der staatliche Kirchenaustritt (...) als öffentlicher Abfall von der Katholischen
Kirche, wenn er auch vor dem Pfarrer oder vor einem vom Bischof Beauftragten
als solcher bestätigt wird". Damit bringen die österreichischen Bischöfe
zum Ausdruck, dass die bisherige Praxis, allein die Erklärung des Kirchenaustritts
vor einer staatlichen Behörde als actus formalis zu werten, nicht den Vorgaben
des kirchlichen Gesetzgebers entsprochen hat. (...) Unter strafrechtlicher Perspektive
tritt die Tatstrafe der Exkommunikation eindeutig nur im Falle von Apostasie,
Häresie und Schisma ein. Für den Fall, dass eine Person den Austritt aus der
römisch-katholischen Kirche nur vor der zuständigen staatlichen Behörde erklärt
und auf die Anschreiben des Bischofs und Pfarrers nicht reagiert bzw. der Pfarrer
keinen Kontakt mit dieser Person gesucht hat, kann allein vom objektiven Faktum
der Erklärung des Austritts aus der römisch-katholischen Kirche ausgegangen und
ein mit der Erklärung intendierter Bruch mit der römisch-katholischen Kirche
vermutet werden." Denn laut eines Schreibens von Kardinal Herranz an Kardinal
Schönborn vom März 2006 läge diese Vermutung nahe, wenn die Einladung zum Dialog
nicht angenommen wird. Austreter befänden sich daher "in der kirchenrechtlichen
Situation des Bruchs mit der kirchlichen Gemeinschaft samt den entsprechenden
strafrechtlichen Konsequenzen". Denn das öffentlich-rechtliche Lossagen
von der römisch-katholischen Kirche könne nicht ohne innerkirchliche Folgen
bleiben.
Ein aus der Kirche ausgetretener Katholik
darf nicht die heilige Kommunion empfangen;
kann keine kirchlichen Ämter bekleiden (auch nicht das Amt des Tauf- bzw.
Firmpaten);
kann keine Funktionen in der Kirche wahrnehmen, insbesondere nicht die
Funktionen in diözesanen oder pfarrlichen Räten (z. B. Pfarrgemeinderat und
Pfarrkirchenrat);
verliert das aktive und passive Wahlrecht in der Kirche.
Falls der Betreffende im kirchlichen Dienst steht, muss das Dienstverhältnis
beendet werden (das ist der einzige Punkt, wo Austreter
tatsächlich geschädigt werden können!).
Falls er auf Grund einer kirchlichen Ermächtigung Dienste ausübt (z.B.
missio canonica für Religionslehrer), muss diese Ermächtigung widerrufen werden.
Falls der Betreffende nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt
hat, kann das kirchliche Begräbnis verweigert werden.
Seltsamerweise wird nicht festgehalten, dass der Ausgetretene ohne die
Hl. Mutter Kirche auch die "Ewige Seligkeit" verliert. Aber das ist
den Bischöfen wohl zu heiß, weil man ja das ewige Höllenfeuer inzwischen aus
der Verkündigung weitgehend entfernt hat und darum die Verdammungslehre
(extra ecclesiam nulla salus, außerhalb der Kirche kein Heil) in großem Bogen umgeht.
Letztlich steht die katholische Kirche dem Glaubensabfall hilflos gegenüber,
der frühere Zwang geht nimmer, mit Drohungen traut man sich nimmer, darum behilft
man sich bloß mit ein bisschen zusätzlicher Bürokratie in Österreich, um die
Bürokraten im Vatikan zufrieden zu stellen, damit sichergestellt ist, dass Ausgetretene
auch noch ausgeschlossen (exkommuniziert) werden. Zwar hat man irgendwo
das Jesuswort von der Feindesliebe, aber man nimmt doch lieber Geld von Mitgliedern
als diese gottverdammten Nichtzahler zu lieben.
Diese Info ist länger als beabsichtigt geworden, aber sie hat
einen gewissen Unterhaltungswert. Zumindest für Ungläubige und Exkommunizierte.