Kein Priester-, aber Gläubigenmangel

Manches Mal muss man einem katholischen Fachmann Recht geben.

In der "Tagespost", einer deutschen strengkatholischen Zeitung, kritisiert in der Ausgabe vom 24.1.2011 Chefredakteur und Diplomtheologe Markus Reder die jüngst von CDU-Politikern geäußerten Forderungen nach der Installierung der berühmten "bewährten Männer" (viri probati) als Priester, um den Priestermangel zu beheben. Die CDU-Funktionäre (und großteils auch Mitglieder im "Zentralkomitees der deutschen Katholiken" - ZdK) hatten von einer außerordentlichen pastoralen Notsituation gesprochen, die durch Einschränkungen im Zölibatsgebot aufgehoben werden sollte.

Markus Reder sieht das anders: "Fraglich ist (..), ob gemessen an der Zahl der Gottesdienstbesucher tatsächlich dramatischer Priestermangel herrscht. Müsste nicht besser von Gläubigenmangel gesprochen werden? Damit rührte man zumindest an den Kern des Problems. Das besteht im dramatischen Glaubensverlust, sowohl in der Gesellschaft, aber - was schlimmer ist - in der Kirche selbst. Insofern gibt es in der Tat einen 'außerordentlichen pastoralen Notstand'. Dagegen hilft aber keine Zölibatsdebatte und kein Strukturdiskurs .."

Bis hierher hat er völlig Recht. Für die paar Leute, die heute noch in die Kirche gehen, gibt's genug katholische Priester, beichten geht eh kaum noch wer, Taufen und Hochzeiten sind inzwischen auch schon deutlich weniger als die Begräbnisse, wo wären denn eigentlich die Menschen, die unter einem "außerordentlichen pastoralen Notstand" litten? Ein Priesterstudent hat das voriges Jahr schon einmal durchgerechnet, siehe Info Nr. 61, die Anzahl der aktiven Gläubige sinkt viel schneller als die Anzahl der Priester!

Oben habe ich die Aussage des Herrn Reder mitten im Satz unterbrochen, hier der Satz nun komplett: "Dagegen hilft aber keine Zölibatsdebatte und kein Strukturdiskurs, sondern nur ein Aufbruch im Glauben, eben jene Neuevangelisierung, zu der Benedikt XVI. ruft." Reder blickt sich in der Welt um und stellt fest: "Wo der Glaube pulsiert, wo die Kirche lebendig ist, gibt es keinen Priestermangel." Und damit ist er weiter auf festem katholischen Boden, aber nicht mehr in der Realität.

Gegen den festgestellten Glaubensverlust hilft keine "Neuevangelisierung". Der Missionsversuch in Wien - siehe Info Nr. 322 - hat nichts gebracht, wenn in den nächsten Jahren von Rom aus eine "Neuevangelisierung" Europas gestartet wird, dann werden die Leute wieder haufenweise in die Kirchen strömen? Das zu bezweifeln, braucht nicht viel atheistischen Optimismus!