Neuevangelisierungsübungen

Bekanntlich bemüht sich die katholische Kirche schon längere Zeit, Maßnahmen gegen die fortschreitende europäische Säkularisation zu setzen. Es wurde dazu ein eigenes Vatikanamt gegründet, der "Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung", dieser tagte am 30./31. Mai 2011 erstmalig. Mitgetagt haben dabei der deutsche Bischofschef Zollitsch und der österreichische Oberkatholik Schönborn.

Bischof Zollitsch setzt darauf, dass der "Entfremdung vom Glauben entgegengetreten" werden müsse. Er vermeint, in Deutschland eine "doppelte Bewegung zu erkennen", einerseits die fortschreitende Säkularisierung und andererseits "auch ein neues Suchen nach Transzendenz, nach der Bestimmung des eigenen Lebens".

Die "Bestimmung des eigenen Lebens" ist allerdings grundsätzlich etwas Säkulares, denn die Menschen sind nicht mehr religiös verpflichtet, Religion ist nimmer Schicksal, Religion ist bloß noch eine Möglichkeit unter vielen für die "Bestimmung des eigenen Lebens". Wer sein Leben anders bestimmt, dem kann keine Kirche mehr in die Parade fahren. Und die "Suche nach Transzendenz" ist erstens kein großes gesellschaftliches Phänomen und kann zweitens überall hinführen, Esoteriker sind genauso Transzendenzgeschädigte wie Anhänger irgendwelcher fernöstlicher Glaubensrichtungen.

Darum tätigte Zollitsch auch praktische Vorschläge, wie die Einführung einer "Urlauberseelsorge". Kurt Tucholsky, in "Schloss Gripsholm": "Ein Sommeridyll - fröhlich und unbeschwert, die Sonne auf der Haut spüren, die Seele baumeln lassen (..)", das Seelebaumeln könnte hinkünftig getrübt werden durch priesterlichen Beistand samt sommerlicher Neuevangelisierung.

Aber in der Hauptsache konzentriert sich der deutsche Oberbischof auf Glaubensunterweisung und auf Einübung in den praktischen Glauben. Wie Zollitsch sagt, kann das nicht in kurzer Zeit gelingen, denn es werde "ein langer Prozess sein. Dass der Mensch aus einer Vielzahl von Lebensentwürfen wählen kann, das wird auf lange Zeit die Situation sein, auf die sich die Kirche einstellen muss".

Und was kommt nachher? Ein neues katholisches Zeitalter, wo es keine "Vielzahl von Lebensentwürfen" mehr gibt? Wo die Einübung des katholischen Glaubens wieder Schicksal sein wird? Das glaubt Zollitsch wohl selbst nicht! Die "Neuevangelisierung" ist ein Angebot. Wenn es keine Nachfrage gibt, hilft alles Anbieten nichts. Und denen was anzubieten, die nachfragen, die somit sowieso gläubig sind, das hilft nichts gegen die Säkularisierung.

Der "Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung" scheint ein Ausdruck katholischer Hilflosigkeit zu sein, ohne irdische Macht der Kirchen verkauft sich der Christenglaube immer zäher. Ist das nicht schön?