Am 27.8.2011 war Helmut Schüller, der Sprecher der
österreichischen "Pfarrerinitiative" mittags "im Journal zu
Gast" und wurde ausgiebig zum Aufruf zum Ungehorsam befragt. Schüller
meinte, es sei nicht darum gegangen, Schönborn herauszufordern oder sich an ihm
(für den Rausschmiss als Generalvikar 1999) zu revanchieren. Die Kirche hinke
der modernen Gesellschaft hinterher, in der unter den Geschlechtern Gleichheit herrsche
und die Stimme jedes Einzelnen etwas zähle, meinte er. Dagegen
wollen nun er und seine Gesinnungsfreunde offen angehen, geschiedene Katholiken
in neuen Beziehungen bekommen die Kommunion, Gemeindemitglieder leiten
Gottesdienste und predigen und verheiratete Priester werden eingeladen, ihr Amt
wieder auszuüben.
Er sei von den Wellen, die der Ungehorsamsaufruf geschlagen
habe, überrascht gewesen. "Es ist vielleicht in der Kirche unüblich,
deutlich zu werden. Doch das was wir fordern, tun wir schon die ganze Zeit im
Stillen, um den Menschen entgegenzukommen und der heutigen Zeit zu
entsprechen." Schüller fasst zusammen: Die Kirche tue sich mit stillem
Ungehorsam anscheinend leichter als mit dem offen Gesagtem, "wenn man die
Basis im Stillen so arbeiten lässt, wie sie es schon tut, dann erspart man sich
Reformen."
Nun das ist sicherlich keine neue Erkenntnis. Pfarrer, die
mit ihren LebengefährtInnen zusammenleben, gab es schon vor Jahrhunderten.
Solange es kein öffentliches "Ärgernis" ist, ist es egal. Ebenso wie
Pfarrerskinder. Die wurden auch nur zum Problem, wenn sich ein Pfarrer dazu
bekannte. Als 2009 der oö Pfarrer Friedl sich zu seiner Lebensgefährtin
bekannte, wurde er gemaßregelt. Als er den bischöflichen Anordnungen nicht
Folge leistete, gab's eine katholische Lösung: Friedl redet nimmer von seiner
Freundin, der Bischof auch nicht. Die katholische Kirche sagt
von sich, sie sei auf Fels gebaut. Richtig: Sie ist auf Heuchelei gebaut.
Schüller zog in diesem Interview ein neues Thema auf:
"Die Kirche wird nicht von oben nach unten aufgebaut, sondern die Kirche
baut sich über die Gemeinden auf. Die Ämter in der Kirche haben immer auch auf
das Volk zu hören. (..) Ich weiß was Gehorsam ist, aber ich weiß auch, wann
Ungehorsam angebracht ist. (..) Eine Mauschelei unter vier Augen ist nicht
angemessen. Eine Kirchenreform ist eine Sache zwischen der Kirchenleitung und
dem gesamten Kirchenvolk." Er fordere eine Art "Bürgerrecht" für
die Kirche. Die Getauften seien Träger dieser Kirche und hätten es sich
verdient, dass man ihnen zuhöre und ihre Anliegen ernst nehme.
Was Schüller nicht erwähnt, ist der Umstand, dass "die Getauften"
sich längst innerlich verabschiedet haben, tatsächlich mit der katholischen
Kirche fest verbunden sind vermutlich weniger als zehn Prozent der Mitglieder,
der Großteil lebt ein areligiöses Leben, Jesus und seine Haberer, egal ob Schönborn
oder Schüller, stehen, sitzen, liegen in einer anderen Welt, dort kommt ein
durchschnittliches Mitglied der katholischen Kirche gar nicht mehr hin. Ja,
es wird sein, dass der kleine Rebell Schüller mehr Sympathie erntet als der
Süßler Schönborn, wenn die
Leute einschlägige Meldungen in den Medien lesen, hören, sehen. Aber Jesus wird
deswegen nicht beeindruckender. Heucheln ist katholische Pflicht. Aber die gewöhnlichen
Mitglieder machen dabei nicht mehr mit. Sie müssen nämlich nimmer, darum ist
ihnen die ganze Sache längst egal geworden. Amen.