Die Ungehorsamsrebellion macht dem österreichischen
Oberbischof Schönborn zu schaffen. Er ist ja nicht gerade als tapferer
Kreuzritter der neuen mittelalterlichen Ratzingerlinie berühmt, aber wider den
römischen Stachel zu löcken, ist ihm auch ein Gräuel. Als laviert er. Am 14. 9.
2011 meint er, "es geht darum, den Aufbruch des Zweiten
Vatikanums ernst zu nehmen, die Türen als missionarische Kirche weit
aufzumachen und in die Welt hinauszugehen. Diese Erneuerung wird nur aus einer
inneren Bekehrung heraus gelingen, und nur, wenn wir alle Verantwortung
übernehmen". Nicht die staatskirchliche Versorgung früherer Zeiten sei
im
Blick, sondern viele Keimzellen des Glaubens um lebendige Zentren mit
Strahlkraft.
Über die Keimzellen weiß er allerdings nichts Genaueres. Er
redet von vielen Orten verschiedenster Arten von Gemeinschaften von
KatholikInnen, die miteinander ihren Glauben leben täten.
Dazu solle die Struktur kleinteiliger werden. Andererseits müsste es - durch den
Priestermangel - größere Einheiten in verschiedenen Kooperationsformen heutiger
Pfarren geben. Was soll das heißen? Rosenkranzbeterkreise daheim bei
kleinteiligen Katholiken und Busreisen zu Kirchen mit eigenem Pfarrer?
Eine "staatskirchliche Versorgung" kann es sowieso
nimmer geben, denn eine Staatskirche gibt es schon längere Zeit nimmer. Gegen
Spaltungen in konservative Bewahrer und Reformer wehrt sich Schönborn.
"Auch heute sagen manche, die Spaltung in der Kirche sei de facto schon geschehen.
Ich sehe das nicht so. Die katholische Weite fasst auch unterschiedliche
kirchenpolitische Optionen. Für mich ist das Gut der Einheit in unserer
Ortskirche und der Einheit mit der Weltkirche etwas höchst Kostbares."
Dass die katholische Kirche in Österreich längst schon gespalten ist in
Taufscheinkatholiken, denen die Religion weitgehend egal ist, und einen relativ kleinen Rest
Praktizierender, das traut er sich nicht auszusprechen.
Gegen Änderungen ist er auf alle Fälle, weil die könnten nur
von der "Weltkirche" herbeigeführt werden. Dass Papst Ratzinger kein
Reformer, sondern ein Gegenreformator ist, weiß auch Schönborn. Er meint daher,
alle seien sich einig, dass Reformen notwendig wären. Dazu gebe es aber
"zwei unterschiedliche Denkansätze". Schönborn ist für den Denkansatz
"missionarische Reform". Dann wird es kompliziert, weil Schönborn
katholisch-konservativ und katholisch-progressiv vertauscht: Er meint der
Reformansatz der Pfarrerinitiative sei strukturkonservativ, weil dieser habe zum
Ziel, "die Strukturen in der Kirche, so wie sie heute sind,
aufrechtzuerhalten, etwa indem die Zulassungsbedingungen zum Priestertum
geändert werden".
Was will Schönborn? Hier im Originalton in einem
Mitarbeiterbrief:
"Die Lösung liegt zu allererst bei und in uns selbst.
Es geht darum, den Aufbruch des Zweiten Vatikanums ernst zu nehmen, die Türen
als missionarische Kirche weit aufzumachen und in die Welt hinauszugehen. Diese
Erneuerung wird nur aus einer inneren Bekehrung heraus gelingen, und nur, wenn
wir alle Verantwortung übernehmen. Kirche ist eine Gemeinschaft, in der jeder
und jede als Bruder und Schwester Jesu einen unverwechselbaren Platz hat.
Alle getauften Frauen und Männer haben Anteil am gemeinsamen
Priestertum, um der Welt zu zeigen, dass Gott lebt und welche Kraft Er hat.
Wichtig ist nicht, welchen Platz wer in der Struktur der Kirche einnimmt,
sondern ob wir einander im Christsein ermutigen. Nicht die Anzahl der Priester
ist entscheidend, sondern was jede und jeder, der und die in der Nachfolge
Christi steht, dazu beiträgt, dass Gottes Reich in der Welt sichtbar wird –
auch heute in Österreich.
Ich liebe die Volkskirche und ich kann gut verstehen, dass
man die vergangene Größe der Kirche bewahren, die seit über 200 Jahren
unveränderten Pfarrgemeinden weiterführen möchte. Etwas ist mir in den letzten
Jahren immer deutlicher geworden. An erster Stelle steht der Grundauftrag des
Herrn an seine Kirche, an uns: Geht in alle Welt, verkündet das Evangelium! Das
ist der Maßstab für all unser Tun. Von da her müssen wir uns der Frage stellen:
Welche Strukturen helfen uns dabei und welche nicht (mehr)?"
Alles verstanden? Der Zölibat ist nicht das Problem und
ebenso nicht, dass nur noch wenige Leute den katholischen Glauben tatsächlich praktizieren. "Alle getauften Frauen und Männer haben Anteil am gemeinsamen
Priestertum". Die
katholisch getauften Brüder und Schwestern müssten loslegen! Mit gemeinsamem
Priestertum! Öffentlich die "Nachfolge Christi" propagieren! Sichtbar
in der Welt! Dann strömten die Massen zuhauf. Wenn religiös Desinteressierte
Katholiken sehen, die sichtbar die "Nachfolge Christi" leben, dann
werden Areligiöse und vielleicht sogar Atheisten religiös. So einfach ist das!
Glaubt
Schönborn das wirklich? Was ist Schönborn? Ein gewiefter Heuchler oder tatsächlich
der Einfaltspinsel, der uns aus dem obigen Text anlacht? Im säkularen Europa
und in Österreich mit von der Arbeiterbewegung erkämpften Grundrechten
(hoch Viktor Adler, hoch Otto Bauer, hoch Bruno Kreisky!) ist das Gebet zu
Göttern eine entbehrliche vormoderne Tradition geworden, die echte und die
erzwungene Popularität eines Jesus ist dahingeschwunden. Dagegen hilft weder
eine Neumissionierung, noch eine Priesterinitiative. Der Säkularismus ist
Wahrheit geworden. Jappadappadu und Amen.