Wien (APA) - Die Parlamentarierin Alev Korun (Grüne) vermutet "Wirtschaftskontakte"
als mögliches Motiv der Bundesregierung für die Errichtung des interreligiösen
Dialogzentrums in Wien in Kooperation mit Saudi-Arabien. Sie kündigte an,
am 7.10.2011 eine parlamentarische Anfrage an den Außenminister Spindelegger
zu richten. "Aufträge in welcher Höhe erhoffen Sie sich als Folge des 'Dialogzentrums'",
fragt Korun laut einer Aussendung am Freitag an die Adresse Spindeleggers.
Die
Gründungsurkunde für das Zentrum soll kommende Woche von Österreich, Saudi-Arabien
und Spanien unterzeichnet werden. Sie muss allerdings noch vom Nationalrat genehmigt
werden. Der Ministerrat hatte am Dienstag den Weg für die Gründung eines interreligiösen
Dialogzentrums freigemacht.
Die Grünen kritisierten in der Anfrage
die Partnerschaft mit dem saudischen Königshaus. "Einerseits sitzt
Österreich im UNO-Menschenrechtsrat, andererseits sendet die Bundesregierung
Signale aus, dass Wirtschaftsbeziehungen über Menschenrechten und Religionsfreiheit
stehen, indem sie ausgerechnet Saudi Arabien beim interreligiösen Dialog zum
Partner macht", so Korun.
Die grüne Abgeordnete will Spindelegger
im Nationalrat fragen, ob ihm bekannt sei, dass in Saudi-Arabien der "Abfall
vom Islam" mit der Todesstrafe bedroht werde. "Wenn ja, wie verträgt
sich das mit dem Vorhaben des saudischen Königs, den 'Dialog' mit anderen ReligionsanhängerInnen
fördern zu wollen?", heißt es in der Anfrage. Die Grünen wollen zudem wissen,
ob an den Abschluss des Vertrages menschenrechtsrelevante Bedingungen geknüpft
wurden. Im Vorfeld war bekanntgeworden, dass in dem Gründungsvertrag des Zentrums
kein Bekenntnis zur freien Religionsausübung steht, sondern lediglich ein Passus
über den "Respekt zwischen den Religionen".
Die Anfrage der
Grünen verweist auf den aktuellen Jahresbericht von Amnesty International, in
dem neben Verletzungen der Religionsfreiheit auch von Übergriffen und systematischer
Diskriminierung saudi-arabischer Arbeitgeber gegenüber ausländischen Gastarbeitern
die Rede ist. Dies steht nach Ansicht der Grünen in Widerspruch zu Ankündigung
über "interkulturellen Dialog" im Rahmen des Zentrums.
Fragwürdig
ist für die grüne Abgeordnete auch die Rolle des interimistischen Leiters des
Zentrums, des saudi-arabischen Vize-Bildungsministers Faisal bin Muammar. Dieser
sei offenbar bereits vor einem österreichischen Ministerratsbeschluss zur Etablierung
des Zentrums Ende September eingesetzt worden. "Weshalb leitet ein Vizeminister
eines Staates, der andere Religionen als den Wahabismus im Land verbietet, interimistisch
das Zentrum für interreligiösen Dialog?" Beim Wahabismus, der saudi-arabischen
Staatsreligion, handelt es sich um eine äußerst konservative Auslegung des Islam.
Die
Einwände der Grünen gegen das Dialogzentrum seien im außenpolitischen Ausschuss
des Nationalrates am Donnerstag zwar angesprochen worden, teilte Korun mit.
Doch die Bedenken gegen das umstrittene Zentrum habe der anwesende Außenstaatssekretär
Wolfgang Waldner (V) nicht entkräften können.
Hier die eingescannte
Anfrage.