Opfer des Klerikalfaschismus

Schon seit längerer Zeit laufen in Österreich Bemühungen, auch die Justizopfer der klerikalfaschistischen Zeit (1933/34 bis 1938) zu rehabilitieren.

Wie am 7.10.2011 im ORF-Mittagsjournal berichtet wurde, spießt sich die Vorgangsweise zurzeit an der ÖVP (an der ÖVP spießt sich überhaupt jedwede vernünftige Politik in Österreich). Die Diktatur in den 1930er-Jahren war eine Diktatur, die auf der päpstlichen Lehre vom Ständestaat und auf den vatikanischen Bestrebungen basierte, demokratische Verhältnisse, in denen die frühere Macht der katholischen Kirche zurückgedrängt worden war, zu beseitigen. In Österreich waren diese Bemühungen durch Engelbert Dollfuß von Erfolg, der Vatikan rühmte lautstark "die Wiederverchristlichung des gesamten öffentlichen Lebens und das friedliche Zusammenwirken zwischen Staat und Kirche zum Wohle aller" in der Dollfuß-Diktatur.

In der Zeitgeschichtsforschung hat man sich darauf geeinigt, diese Jahre nicht als "klerikalfaschistisch" zu benennen, sondern vom "Austrofaschismus" zu sprechen. Was davon speziell "austro", also österreichisch, gewesen sein soll, ist allerdings nirgendwo festgehalten, es war dasselbe System, dass die katholische Kirche auch in anderen Staaten (Spanien, Portugal, Kroatien u.a.) mit Hilfe christkatholischer Politiker etablieren konnte. Die katholische Kirche hat sich bis heute mit keiner Silbe zu ihrer Mitwirkung und ideologischer Führung bei der Errichtung dieser Diktaturen auch nur geäußert. Aber mit dem üblichen erbärmlichen Knieschlottern vor der katholischen Kirche hat sich auch die Zeitgeschichteforschung damit nur sehr vorsichtig auseinandergesetzt, sozusagen als wären Dollfuß und Konsorten bloß zufällig Katholiken gewesen und nicht Diktatoren geworden, weil es den Interessen des Vatikans entsprach.

In Österreich gründeten die ehemaligen klerikalfaschistischen Parteigänger 1945 vorsichtshalber nicht die "Christlichsozialen" neu, sondern nannten sich in "Österreichische Volkspartei" (ÖVP) um. Aber zu ihrer Vergangenheit stehen sie noch heute, das Bild des Diktators Dollfuß hängt in ihrem Parlamentsklub und eine Diktatur hat es damals gar nicht gegeben. Bloß einen Ständestaat, in dem die Berufsstände durch ihre Vertreter den Staat verwalten sollten, was aber auch nicht geschehen war, weil die in der Diktaturverfassung von 1934 vorgesehenen Wahlen in die Ständevertretungen nie abgehalten wurden (siehe zur damaligen Zeitgeschichte: "Der Weg in den Faschismus", zur Ständestaatverfassung, die Seiten 36-39).

Im Entwurf der Regelung für die Rehabilitierung der Justizopfer des Klerikalfaschismus ist bisher nur davon die Rede, es ginge um Urteile in Verfahren zwischen März 1933 und März 1938 (ausgenommen Verfahren gegen Nazis).

Dagegen erhob nun Günther Kräuter, Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Einspruch: "Wichtig und für jedenfalls Bedingung, dass dieses Gesetz zustande kommen kann, dass hier klar das Unrecht definiert wird. Und damit ist ja auch klar gesagt, dass es hier um eine Diktatur geht, um Faschismus geht und um ein Regime der Willkür, wo Menschenrechte verletzt wurden und Entscheidungen und Urteile gefällt wurden, die Unrecht sind."

Gegen das bloße Wort "Faschismus" ist der 2. Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer von der ÖVP. Er spricht vom "Ständestaat", den Begriff "Austrofaschismus" will er nicht akzeptieren: "Das ist deswegen irreführend, weil der Faschismus heute eine inhaltliche Änderung erfahren hat. Heute wird damit eindeutig der Nationalsozialismus identifiziert und das würde 1933-38 keinesfalls entsprechen." Neugebauer tut so, als fürchte er sich, dass die Leute dann vergessen, dass Hitler erst 1938 nach Österreich kam und nicht 1933. Aber er will seine Parteigeschichte reinigen. Die ÖVP hätte dann keinen faschistische Vergangenheit, von der sie sich bis heute sowieso noch nie distanziert hat.

Die ORF-Meldung schließt mit einer klaren Feststellung:
"Gültiges Geschichtsbild fehlt - Für das Gesetz würden die Stimmen von SPÖ und ÖVP ausreichen - wenn sich diese Parteien erstmals in der Zweien Republik auf gemeinsame Begriffe für historische Ereignisse einigen können, die schon Generationen zurückliegen. Denn bisher fehlt für die Zeit von 1933 bis 1938 ein für alle Parteien gültiges Bild der österreichischen Geschichte - das macht der Konflikt um das Rehabilitierungsgesetz einmal mehr deutlich."

Die ÖVP steht nicht zu ihrer Geschichte, wenn man die Zeit 1933/34 bis 1938 nicht faschistisch nennt, dann ist das Geschichtsfälschung. Und dann könnte man den Dollfuß sogar auch offiziell sündenfrei im Parlamentsklub hängen lassen.

Man kann gespannt sein, ob es die SPÖ schafft, einmal ihren Standpunkt durchzubringen. Aber wenn man sich die Tätigkeit der SPÖ in der Regierung anschaut, ist die Wahrscheinlichkeit dafür nicht extrem hoch.