Naturgemäß ging es vorwiegend um die aktuellen Korruptionsfälle, die Grünen
konnten dazu den Slogan äußern "25 Jahre grün heißt 25 Jahre korruptionsfrei".
Bezüglich der Probleme in der EU wurde ein Europa gefordert, das aus der Krise lernt,
das eine Vision einer gerechteren, weltoffenen und demokratischen Gesellschaft
hat, "ein Europa der
BürgerInnen und Bürger - transparent, demokratisch, entschlossen und
solidarisch."
Erfreulicherweise wandte man sich auch einer Frage zu,
die im immer noch stark katholisch beeinflussten Österreich, wo immer noch fast
zwei Drittel der Leute der katholischen Kirche angehören, sonst eher kein Gehör
findet. Die im praktischen Alltag längst tief geschrumpfte katholische Allmacht
wird von den politischen Parteien immer noch gefürchtet, höflich ausgedrückt:
"respektiert". So war zum Beispiel der jetzige Bundeskanzler Faymann
(SPÖ) als Jungsozialist ein Ungläubiger, der an Infotischen religionskritische
Flugblätter verteilte und zum Kirchenaustritt aufrief. Als er in der SPÖ
seinen Aufstieg gestaltete, rekonvertierte er vorsichtshalber zum gläubigen
Katholiken.
Die Grünen sehen sich vor allem als Partei der Gruppen, die vom
politischen Mainstream ignoriert oder ausgegrenzt werden. In Österreich gibt
es ungefähr zwei Millionen Konfessionsfreie, also knapp ein Viertel der Bevölkerung.
Diese Menschen und ihre Anschauungen hatten bisher in den Plänen und Programmen
der jetzigen Parlamentsparteien keine Widerspiegelungen gefunden. Die Grünen
haben dieses Viertel der österreichischen Bevölkerung nun anscheinend entdeckt.
Am Bundeskongress wurde die folgende von Georg Prack, Birgit Hebein, Jennifer Kickert, Alev Korun,
Marco Schreuder, Daniela Musiol, Harald Waiser und Martina Wurzer eingebrachte
Resolution beschlossen:
Die Grünen achten die Religionsfreiheit sowie die Freiheit von Religion
als Menschenrecht und werden jede Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit
oder aufgrund einer nicht vorhandenen Religionszugehörigkeit bekämpfen. Religiöse
Vielfalt, Atheismus und Agnostizismus sind Teil einer demokratischen und vielfältigen
Gesellschaft. Daher sprechen sich die Grünen klar für die Freiheit der Glaubensausübung
aus.
Unsere Überzeugung ist, dass sich ein Staat gegenüber Religionen
und Weltanschauungen neutral verhalten muss. Dort wo der Staat mit Religionen
in Interaktion tritt, muss er diese nach gleichen Maßstäben und Regeln behandeln.
Die Objektivität des Staates ist Voraussetzung für die Selbstbestimmung des/der
Einzelnen. Das Recht auf Religionsfreiheit und die strikte Trennung von Staat
und Religion bedingen einander. Für eine konsequente Säkularisierung des österreichischen
Staatswesens ist es daher unabdingbar, dass Verflechtungen mit Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften aufgelöst werden.
Einige (Staats-)Verträge
und Gesetze, die anerkannten Religionsgemeinschaften Rechte und Privilegien
zusichern, stehen zumindert teilweise im Widerspruch zu einem säkularen Staatswesen.Wir
fordern, dass staatliches Handeln gerade in hochsensiblen Bereichen wie dem
Bildungswesen, der Judikative, dem Steuerwesen oder der öffentlichen Verwaltung
objektiv und neutral gestaltet und geregelt wird und damit säkularen Prinzipien
genügt.
Zur Diskussion der Trennung von Staat und Religion ersucht der
Bundeskongress den Erweiterten Bundesvorstand eine Arbeitsgruppe zur Behandlung
folgender Fragestellungen einzusetzen:
Ethikunterricht und konfessioneller Religionsunterricht
Steuerliche Begünstigung von Religionsgemeinschaften
Anbringung religiöser Symbole
Sonderregelungen einzelner Religionsgemeinschaften im ORF
Streichung von auf Religion bezugnehmenden Gelöbnis- und Schwurformeln aus den
österreichischen Gesetzen.
Zumindest könnte eine Diskussion in Gang gesetzt werden. Etwa darüber, dass man religionslosen Schülerinnen und Schülern keinen von Religionslehrern abgeführten "Ethikunterricht" aufzwingen kann. Oder dass die Zahlungen aus dem Geld aller Steuerzahler an kirchliche Einrichtungen zu überdenken sind. Oder dass es für religiöse Einrichtungen keine Sonderrechte im Steuerwesen geben kann, dass Staatsrundfunk und Staatsfernsehen keine religiösen Verkündigungsaufgaben haben sollten. Und auch dass die Frage der Kreuze in öffentlichen Einrichtungen, in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Gerichtssälen diskutiert werden muss.