Grüne: Wir trennen Staat und Religion!

Am 15./16.10.2011 fand in Innsbruck der 32. Bundeskongress der Grünen statt.

Naturgemäß ging es vorwiegend um die aktuellen Korruptionsfälle, die Grünen konnten dazu den Slogan äußern "25 Jahre grün heißt 25 Jahre korruptionsfrei". Bezüglich der Probleme in der EU wurde ein Europa gefordert, das aus der Krise lernt, das eine Vision einer gerechteren, weltoffenen und demokratischen Gesellschaft hat, "ein Europa der BürgerInnen und Bürger - transparent, demokratisch, entschlossen und solidarisch."
Erfreulicherweise wandte man sich auch einer Frage zu, die im immer noch stark katholisch beeinflussten Österreich, wo immer noch fast zwei Drittel der Leute der katholischen Kirche angehören, sonst eher kein Gehör findet. Die im praktischen Alltag längst tief geschrumpfte katholische Allmacht wird von den politischen Parteien immer noch gefürchtet, höflich ausgedrückt: "respektiert". So war zum Beispiel der jetzige Bundeskanzler Faymann (SPÖ) als Jungsozialist ein Ungläubiger, der an Infotischen religionskritische Flugblätter verteilte und zum Kirchenaustritt aufrief. Als er in der SPÖ seinen Aufstieg gestaltete, rekonvertierte er vorsichtshalber zum gläubigen Katholiken.
Die Grünen sehen sich vor allem als Partei der Gruppen, die vom politischen Mainstream ignoriert oder ausgegrenzt werden. In Österreich gibt es ungefähr zwei Millionen Konfessionsfreie, also knapp ein Viertel der Bevölkerung. Diese Menschen und ihre Anschauungen hatten bisher in den Plänen und Programmen der jetzigen Parlamentsparteien keine Widerspiegelungen gefunden. Die Grünen haben dieses Viertel der österreichischen Bevölkerung nun anscheinend entdeckt.
Am Bundeskongress wurde die folgende von Georg Prack, Birgit Hebein, Jennifer Kickert, Alev Korun, Marco Schreuder, Daniela Musiol, Harald Waiser und Martina Wurzer eingebrachte Resolution beschlossen:

Wir trennen Staat und Religion!

Die Grünen achten die Religionsfreiheit sowie die Freiheit von Religion als Menschenrecht und werden jede Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit oder aufgrund einer nicht vorhandenen Religionszugehörigkeit bekämpfen. Religiöse Vielfalt, Atheismus und Agnostizismus sind Teil einer demokratischen und vielfältigen Gesellschaft. Daher sprechen sich die Grünen klar für die Freiheit der Glaubensausübung aus.

Unsere Überzeugung ist, dass sich ein Staat gegenüber Religionen und Weltanschauungen neutral verhalten muss. Dort wo der Staat mit Religionen in Interaktion tritt, muss er diese nach gleichen Maßstäben und Regeln behandeln. Die Objektivität des Staates ist Voraussetzung für die Selbstbestimmung des/der Einzelnen. Das Recht auf Religionsfreiheit und die strikte Trennung von Staat und Religion bedingen einander. Für eine konsequente Säkularisierung des österreichischen Staatswesens ist es daher unabdingbar, dass Verflechtungen mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aufgelöst werden.

Einige (Staats-)Verträge und Gesetze, die anerkannten Religionsgemeinschaften Rechte und Privilegien zusichern, stehen zumindert teilweise im Widerspruch zu einem säkularen Staatswesen.
Wir fordern, dass staatliches Handeln gerade in hochsensiblen Bereichen wie dem Bildungswesen, der Judikative, dem Steuerwesen oder der öffentlichen Verwaltung objektiv und neutral gestaltet und geregelt wird und damit säkularen Prinzipien genügt.

Zur Diskussion der Trennung von Staat und Religion ersucht der Bundeskongress den Erweiterten Bundesvorstand eine Arbeitsgruppe zur Behandlung folgender Fragestellungen einzusetzen:
Ethikunterricht und konfessioneller Religionsunterricht
Steuerliche Begünstigung von Religionsgemeinschaften
Anbringung religiöser Symbole
Sonderregelungen einzelner Religionsgemeinschaften im ORF
Streichung von auf Religion bezugnehmenden Gelöbnis- und Schwurformeln aus den österreichischen Gesetzen.

Es schaut daher so aus, als gäbe es in Österreich nunmehr eine Partei, die sich offensiv für den Säkularismus einsetzt.

Zumindest könnte eine Diskussion in Gang gesetzt werden. Etwa darüber, dass man religionslosen Schülerinnen und Schülern keinen von Religionslehrern abgeführten "Ethikunterricht" aufzwingen kann. Oder dass die Zahlungen aus dem Geld aller Steuerzahler an kirchliche Einrichtungen zu überdenken sind. Oder dass es für religiöse Einrichtungen keine Sonderrechte im Steuerwesen geben kann, dass Staatsrundfunk und Staatsfernsehen keine religiösen Verkündigungsaufgaben haben sollten. Und auch dass die Frage der Kreuze in öffentlichen Einrichtungen, in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Gerichtssälen diskutiert werden muss.