Ratzingers Einteilung der Welt

In Assisi versammelten sich am 27.10.2011 um Papst Ratzinger zwecks interreligiösem Friedenstreffen Vertreter von Religionen aus aller Welt (plus vier päpstlich auserwählte Agnostiker). Als wäre es nicht auch gerade die katholische Kirche gewesen, die über viele Jahrhunderte Gewalt, Krieg und Unmenschlichkeit über die Menschheit gebracht hat, säuselte Ratzinger in seiner Rede von Frieden und Freiheit. Ein bisschen Kritik an religiös motivierter Gewalt gab's zwar auch, er meinte dazu u.a.: "Wir wissen, dass der Terrorismus häufig religiös motiviert wird und dass gerade der religiöse Charakter der Anschläge als Rechtfertigung der rücksichtslosen Grausamkeit dient, die die Regeln des Rechts um des angezielten 'Gutes' willen beiseite schieben zu dürfen glaubt. Religion dient da nicht dem Frieden, sondern der Rechtfertigung für Gewalt."

Aber das ist die Ausnahme. Zumindest beim Ratzinger. Zwar beunruhige es religiöse Menschen tief, wenn "Religion in der Tat Gewalt" motiviere, aber "dies ist nicht das wahre Wesen der Religion". Kreuzzüge, Religionskriege, Kolonialismus mit Zwangsmissionierungen, Verfolgung von Ketzern und Ungläubigen das hat's dann vielleicht gar nicht wirklich gegeben, weil das wäre ja gegen das "wahre Wesen der Religion" gewesen.

Doch halt! Ratzinger ist sogar reumütig: "Ja, auch im Namen des christlichen Glaubens ist in der Geschichte Gewalt ausgeübt worden. Wir bekennen es voller Scham. Aber es ist vollkommen klar, dass dies ein Missbrauch des christlichen Glaubens war, der seinem wahren Wesen offenkundig entgegensteht. Der Gott, dem wir Christen glauben, ist der Schöpfer und Vater aller Menschen, von dem her alle Menschen Brüder und Schwestern sind und eine einzige Familie bilden. Das Kreuz Christi ist für uns das Zeichen des Gottes, der an die Stelle der Gewalt das Mitleiden und das Mitlieben setzt."

Jetzt geht's eben nimmer, jetzt kann man mit weltlicher Macht nichts mehr erzwingen, darum ist man nun für die neue Variante: christliche Liebe mit Grießschmarrn*). Aber so brüderlich ist's dann doch noch nicht und den Feinden der Religion hält man auf keinem Fall die andere Wange hin, da kann der Jesus sagen was er will. Dem wird nämlich der Spruch zugeschrieben (Mt. 5 39-44), "Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen."
*) für nichtösterreichische Sitebesucher: Grießschmarrn ist eine Süßspeise und wenn man eine versöhnlerische Stimmung ironisch umschreiben will, sagt man: alles sei "Liebe und Grießschmarrn", also herzig und süß.

Ist zwar ein sehr dummer Spruch, aber das ist beim Jesus nix Seltenes und Ratzinger schert sich sowieso nicht darum, er kennt neben den muslimischen Bombenwerfern einen zweiten Gewaltverursacher, den er auf die Wangen zu schlagen versucht, Gewalt ist für Ratzinger nämlich die Folge "der Abwesenheit Gottes, seiner Leugnung und des Verlusts an Menschlichkeit, der damit Hand in Hand geht. Die Feinde der Religion sehen (..) in der Religion eine Hauptquelle der Gewalt in der Menschheitsgeschichte und fordern damit das Verschwinden der Religion. Aber das Nein zu Gott hat Grausamkeiten und eine Maßlosigkeit der Gewalt hervorgebracht, die erst möglich wurde, weil der Mensch keinen Maßstab und keinen Richter mehr über sich kennt, sondern nur noch sich selbst zum Maßstab nimmt. Die Schrecknisse der Konzentrationslager zeigen in aller Deutlichkeit die Folgen der Abwesenheit Gottes."

Nein, gerade dieses Beispiel zeigt das nicht! Ratzinger will schon wieder die Nazis zu Atheisten befördern. Nazis, die damals aus den Kirchen austraten, erhielten die amtliche Bezeichnung "gottgläubig", Hitler war Katholik, der evangelische Eichmann wurde Katholik, damit ihm der Vatikan nach 1945 zur Flucht nach Südamerika verhalf. Und Hitler hat seine Judenverfolgung schon in "Mein Kampf" mit dem folgenden Spruch begründet, "So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre kämpfe ich für das Werk des Herrn." Die Schrecknisse der KZs geschahen also im Verständnis Hitlers "im Sinne des allmächtigen Schöpfers" und Hitler vermeinte "für das Werk des Herrn" zu kämpfen. Ratzinger vermeint, den Holocaust den Atheisten in die Schuhe schieben zu müssen und nicht dem Katholiken Hitler und seinen christlichen bis "gottgläubigen" Kumpanen belassen zu können. Er schlägt mit dieser saublöden These in Wahrheit auf den aktuell immer besser wahrnehmbar werdenden "neuen Atheismus" ein, wir sind also potentielle Massenmörder, weil wir keinen Maßstab und keinen Richter mehr über uns kennen. Für Atheisten gilt also nach Ratzingers Meinung auch kein weltliches Recht. Wie kommt er auf diese idiotische Idee? Und meint er, seine Christen würden bloß deswegen menschliche Gesetze und Regeln des Zusammenlebens beachten, damit sie nicht von Gott gestraft werden? Da hat er eine schöne Meinung über den Charakter seiner Christen!

Dann prangert Ratzinger noch einen weiteren Feind an: "Die Anbetung des Mammon, die Anbetung von Besitz und Macht, erweist sich als eine Gegenreligion, in der der Mensch nicht mehr zählt, sondern nur der eigene Vorteil." Die "Anbetung des Mammon" ist Politik der christlichen Parteien (Ratzinger sollte diesbezüglich z.B. mit CDU, CSU und ÖVP reden), die "Anbetung der Macht" gehört zur vatikanischen Politik und der Besitz der katholischen Kirche unterlegt auch dem Prinzip, wachse und vermehre dich und nicht dem Jesus-Wort, "Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach und nimm das Kreuz auf dich", das in Mk 10,21 geschrieben steht.

Noch eine weitere Gruppe vermeint Ratzinger erkennen zu können: "Neben den beiden Realitäten von Religion und Antireligion gibt es in der wachsenden Welt des Agnostizismus noch eine andere Grundorientierung: Menschen, denen zwar das Geschenk des Glaubenkönnens nicht gegeben ist, die aber Ausschau halten nach der Wahrheit, die auf der Suche sind nach Gott. Solche Menschen behaupten nicht einfach: 'Es ist kein Gott'. Sie leiden unter seiner Abwesenheit und sind inwendig, indem sie das Wahre und das Gute suchen, auf dem Weg zu ihm hin."

So hätte er es gerne. Aber diesen Menschen ist in der Regel Religion so egal, dass sie sich überhaupt keine Gedanken darüber machen. Sie suchen nichts, ihnen fehlt nichts, sie sind nicht einmal Agnostiker, weil sie die "Frage nach Gott" nicht offen lassen, sondern sie gar nicht stellen.

Zusammenfassend: Ratzingers Welt teilt sich somit in gewalttätige religiöse Muslime, in friedfertige sonstige Religiöse, in gewalttätige, ruchlose Atheisten, in Geld-, Macht- und Besitzgierige und in Gottsuchende ein. Normale Menschen gibt's beim Ratzinger gar nicht. Wenn er 2012 seine Missionare zur Neuevangelisierung aussendet, dann wird er sich sicherlich hauptsächlich an die vermeintlich gottsuchenden Areligiösen wenden. Das sind die, die heute wenn die Zeugen Jehovas läuten und fragen, ob man mit ihnen über Gott sprechen möchte, antworten, "nein, interessiert mich nicht, fragen Sie beim Nachbarn".