Der Exodus der Frauen

Artikel in den OÖNachrichten vom 9.2.2012 von Dr. Christine Haiden, Chefredakteurin der von der Katholischen Frauenbewegung Österreichs herausgegebenen Zeitschrift Welt der Frau, laut Medienanalyse die führende österreichische Frauenzeitschrift bei den über 70-jährigen. Frau Haiden fällt mit ihren wöchentlichen Kommentaren in den OÖN immer wieder durch ihre kritische Haltung innerhalb der katholischen Kirche auf. Diesmal befasste sie sich mit dem "Exodus der Frauen", das traditionell hohe Engagement der Frauen in der Kirche geht deutlich zurück:

Die Pfarrer-Initiative versteht es, im Gespräch zu bleiben. Gut so. Es gibt viel zu tun in der katholischen Kirche. Während die Männer aber in den Schlagzeilen sind, kehren immer mehr Frauen der Firma Gott&Sohn den Rücken. Andernorts wird die Gleichstellung der Frauen zumindest nicht mehr offensiv verhindert. Nur die katholische Kirchenleitung weist ihnen unverdrossen die Plätze in der zweiten Reihe zu. Dabei ist das Thema Gleichstellung für den Fortbestand der Kirche, zumindest regional, von ebenso großer Bedeutung wie ausreichend Klerikernachwuchs.

Gleichberechtigung ist kein profanes Thema, sie hat etwas mit unserem Glauben zu tun, das sagt ein Großteil der "modernen" Frauen. Eine neue Studie des Theologen Paul Michael Zulehner zeigt, wie brüchig mittlerweile die Bindung von Frauen an die katholische Kirche wird. Waren 1970 noch 26 Prozent der Frauen "kirchlich", sind es heute nur noch sechs Prozent. Fast drei Viertel der "modernen" Frauen, die aus der Kirche ausgetreten sind, führen die Haltung der Kirche zu den Frauen als Grund an.

Besonders kritisch sehen das die unter 30-Jährigen. Lange Zeit war das weibliche Geschlecht die "sichere Bank" der männergeführten Kirche. Sie wähnte sich durch ein Frauenbild, das religiös legitimiert wurde, in Sicherheit. Es sei Gottes Wille, dass Frauen in erster Linie Mütter sind, ihr Leben ganz auf Kinder, Familie und Mann ausrichten. Frauen, die sich entlang dieser Definition bewegen, durften mit Lob und Ehre rechnen. Ganz anders jene, die sich einem "modernen" Selbstbild verpflichtet fühlen. Sie sehen sich als Frau zu allererst als Individuum, das Anspruch auf Selbstentfaltung hat. Dazu gehört auch, Mutter zu sein, Familie zu haben, in einer Partnerschaft zu leben. Die Freiheit der Wahl definiert im Selbstverständnis "moderner" Frauen das Fundament ihrer Würde.

Frauen traditioneller Prägung bilden im innerkirchlichen katholischen Milieu längst die Mehrheit. Sie sind zufrieden, sich sozial oder im Hintergrund zu betätigen. Der Ausschluss von Frauen aus der Leitung der Kirche stört sie nicht. Sie sind zur Stelle, wenn die guten Geister gebraucht werden. Ihre Verdienste sind hoch zu schätzen. Aber man darf nicht übersehen: Viele jüngere Frauen leben anders. Sie sind berufstätig und überlegen sich genau, wo sie ihre verbliebenen Kräfte investieren. In der Freizeit suchen sie ein Milieu, das ihre Form zu leben gutheißt. Immer seltener finden sie es im engen Umfeld der Pfarre. Das hat Folgen. Das pfarrgemeindlich engagierte Milieu wird immer homogener, der Nachschub aus der größer werdenden Gruppe "moderner" Frauen spärlicher. Noch ist keine Gegenbewegung vonseiten der katholischen Kirche zu erkennen. Dezidierte Angebote für "modern" lebende und denkende Frauen sind selten, eine Abkehr vom Ausschluss von Frauen von sämtlichen Weiheämtern nicht in Sicht.

Man kann es sich leicht machen, und diesen Frauen einfach mangelnde Gläubigkeit vorwerfen. Man kann es sich aber auch schwerer machen und sie ernst nehmen. Dafür scheinen weder ausreichend Ambition noch Bewusstsein vorhanden. Es gilt, die ungehorsamen Pfarrer zu bändigen. Womöglich eine falsche Priorität?

Soweit Frau Haiden. Es ist eben unvermeidbar, dass sich der gesellschaftliche Wandel in Richtung Säkularismus auch in Bereichen festsetzt, die früher davon wenig betroffen waren. Zum Beispiel hat es sich auch aufgehört, dass sich in den kleinen Landgemeinden nahezu alle Einwohner sonntags treffen, um - vor dem Frühschoppen der Männer und dem Zubereiten des Sonntagsmahls durch die nach Hause eilenden Frauen - der Sonntagsmesse beizuwohnen, auch am Land ließ der Kirchenbesuch stark nach.

Ebenfalls gesunken ist mit steigender Bildung und zunehmender Emanzipation die höher liegende Religiosität der Frauen, auch Frauen brauchen heute das "Opium des Volkes" weniger als früher. Es wird in katholischen Kreisen immer noch vermutet, man könne durch Reformen das Schwinden der Religiosität stoppen oder gar umkehren. Diese Chancen sind als gering einzustufen, auch geweihte Priesterinnen und verheiratete Priester erzeugen kein höheres Interesse am Glauben. Die katholischen Hierarchen betonen immer wieder, es käme auf Jesus an. Womit sie wohl recht haben. Aber es schaut so aus, als käme Jesus zunehmend weniger an.