Kirchen im Sinkflug

Statistische Zahlen über Veränderungen im kirchlichen Bereich rufen bei einem alten Zahlenschaufler wie mir Aktivitäten hervor. Auf der Homepage der Stuttgarter Südwestpresse war am 10.2.2012 eine solche Zahlenquelle zu finden, deren Wiedergabe das Herz eines Atheisten erfreut:

So hatte die evangelische Kirche in Stuttgart im Jahre 1975 noch 293.580 Mitglieder, 2010 blieben davon noch 162.470, also rund 55 Prozent. Bei den Katholiken sank die Zahl von 196.170 auf 140.240, das ist ein Rückgang auf etwas mehr als 70 Prozent. Der katholischen Kirche kam zu gute, dass es in diesem Zeitraum unter den Migranten eine unverhältnismäßig hohe Zahl von Katholiken gab, 43 Prozent der Katholiken, aber nur 12 Prozent der Protestanten haben in Stuttgart einen Migrationshintergrund. Außerdem treten ja Protestanten viel leichter aus ihrer Kirche aus, weil die evangelischen Kirchen viel liberaler und weltoffener und dadurch auch viel beliebiger sind als dies im katholischen Bereich üblich ist.

Die katholische Kirche hat nun in Stuttgart genauere statistische Erhebungen getätigt. Seit 1990 ging in einzelnen Bereichen der Mitgliederstand um 30 Prozent zurück, in anderen Bereichen gab es sogar Zuwächse bis knapp zehn Prozent. Die Überalterung und der Sterbeüberschuss machen sich ebenfalls bemerkbar, in den letzten zwanzig Jahren stieg das Durchschnittsalter von 40,3 auf 44,1 Jahre, (bei der evangelischen Kirche nur von 45 auf 47,1 Jahre, hier waren die Kirchenaustritte altersmäßig offenbar gleichmäßiger verteilt), im selben Zeitraum kamen auf 30.000 katholische Sterbefälle nur 20.000 Taufen, nur 13 Prozent der Untersechsjährigen sind katholisch.

Darum soll bis Jahresende geprüft werden, was sich die katholische Kirche in Zukunft an Aufwendungen noch leisten wird können, es sollen Pfarren eingespart und überzählige Immobilien verkauft und für kirchliche Aktivitäten entsprechende Schwerpunkte gebildet werden. Liest sich so ähnlich wie bei den jüngst bekannt gegebenen Versuchen der Diözese Wien, die im Bezirk Favoriten entsprechende Sparkonzepte testen will, siehe Info Nr. 720. Allerdings war der Meldung aus Stuttgart nicht zu entnehmen, ob es auch Bemühungen geben soll, dem Schwund von Gläubigen mit religiösen Aktivitäten entgegenzuarbeiten, in Wien redet Bischof Schönborn zumindest davon. Wie er solche Bemühungen bei - nach eigenen Angaben - bloß drei Prozent religiös aktiven Kirchenmitgliedern angehen will, hat er derweilen noch nicht erklärt.

Der europäische Säkularismus ist weiter am Vormarsch. Der Sinkflug der christlichen Religionen ist zwar bezüglich der Mitgliederzahlen noch längst nicht in Bodennähe, bei den aktiven Gläubigen ist man zumindest im großstädtischen Bereich aber schon am Bodensatz angelangt, nur noch drei Prozent sonntägliche Kirchgeher in Wien-Favoriten, das lässt sich kaum noch weiter nach unten absenken.