Evangelische Zwischenrufe



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freudestrahlend schütteln sich der "Führer" und der "Reichsbischof" die Hände

1934 hatten sich von den 28 protestantischen Landeskirchen Deutschlands 25 in der "Reichskirche" unter dem "Reichsbischof" Müller zusammengeschlossen. Der Bruderrat der Bekennenden Kirche, u.a. mit Martin Niemöller, lehnte den Totalitätsanspruch des Staates ebenso ab wie staatliche Funktionen für die Kirche. Niemöller wurde zusammen mit rund 800 anderen nichtnazistischen Protestanten 1937 verhaftet und blieb bis 1945 als "persönlicher Gefangener des Führers" in KZ-Haft, Von Niemöller stammt dieser berühmte Ausspruch:


Aber den protestantischen "Zwischenrufen" waren solche Details nicht zu entnehmen. 99,99 % der deutschen Protestanten erfüllten gehorsamst ihre "Pflicht" im NS-Staat.

Dafür fährt die Verfasserin des "Zwischenrufs" mit einer bodenlosen Unverschämtheit fort: sie setzt kurzerhand Religionskritiker von heute mit den Nazis gleich. In der NS-Zeit gehörten über 90 % der Bevölkerung den beiden christlichen Großkirchen an, die sich beide mit dem NS-System arrangiert hatten. Die katholische Kirche hatte 1933 das Konkordat mit den Nazis abgeschlossen, die Protestanten ihre "Reichskirche" gegründet, der Religionsunterricht blieb aufrecht. Dagegen hatten religionsfreie Menschen, also Sozialisten und Kommunisten im NS-System nichts zu lachen, sie mussten den Mund halten und hatten "gute Chancen" im KZ zu landen.

Aber das interessiert die Frau Gisela Ebmer nicht. Sie ist mit knapp 80 Jahren Verspätung antifaschistisch. Allerdings nur darum, um den Religionskritikern von heute den Mund zu verbieten. Und gleichzeitig dem Staat von heute zu unterstellen, er wäre totalitär und es sei die Aufgabe der Religion, den Staat ethisch zu kontrollieren. Wie anders sollten die Sätze "allein der Staat soll uns Menschen heute Orientierung geben? Sind es die jeweiligen Parteien, die uns sagen, wo es lang geht? So wie damals?" zu verstehen sein? Die demokratischen Parteien in einem demokratischen Staat hätten demnach nichts zu sagen, weil dafür wären die Kirchen zuständig? Und so ein Schwachsinn wird vom staatlichen Rundfunk gesendet!

"Wer stellt politische Parolen in Frage?" Gibt es nicht verschiedene Parteien mit verschiedenen Parolen, die sich in demokratischer Konkurrenz gegenseitig ihre Parolen und Meinungen, An- und Absichten in Frage stellen? Wovon redet die Dame überhaupt? Und wer legitimiert die Religionen, die Politik zu kontrollieren? Die "Teilung der Aufgaben" wie sie Luther im Feudalismus gesehen hatte, kann doch bitte schön nicht 500 Jahre später als Gesellschaftsgrundlage präsentiert werden! Das Regiment des Staates sei fürs Gemeinwohl zuständig, das Regiment der Kirche für das Seelenheil? Haben wir heute immer noch ein religiöses Herrschaftssystem? Hoffnung, Trost und Hilfe auf der Suche nach dem Sinn des Lebens gäbe dieses religiöse Regiment? Und die Menschen müssten sich diesem Regiment, wenn schon nicht direkt unterordnen, zumindest zuordnen lassen? Wo lebt die Frau Ebmer? In einer Gesellschaft, die zur Hälfte kirchlich dominiert zu sein hat?

Dann wird angeführt, diese beiden Regime dürften sich gegenseitig nicht einmischen. Was im Prinzip eine sehr gute Idee ist. Wer religiös sein will, soll es sein. Es ist Privatsache. Der eine spielt gern Fußball, der andere züchtet Tauben oder besteigt Berge und irgendwelche Leute gehen in die Kirche und beten. Also: Trennung von Staat und Kirche. Aber gerade das soll laut der Zwischenruferin nicht sei! Der Staat soll ruhig den Religionsunterricht bezahlen, die Kirchen würden sich ja durch andere Leistungen revanchieren. Spitäler, Privatschulen, Pflegedienste. Blöderweise finanzieren die Kirchen allerdings diese Einrichtungen nicht selber, sondern überlassen das auch öffentlichen Mitteln und privaten Nutzerbeiträgen!

Und dass die Kirchen dem Staat dabei helfen würden, "religiöse Bedürfnisse aufzufangen"? Was soll das heißen? Wenn es keine Kirchen gäbe, müssten dann Religiöse staatlich betreut werden? Aha, die Kirchen verhindern religiösen Fanatismus! Demnach hätte Jesus gesagt, gehet hin und lehret alle Völker, dass sie religiös nicht fanatisch werden sollen. Hat er aber nicht. Der religiöse Fanatismus wurde in unseren Breiten durch die Aufklärung eingedämmt.

Und noch einmal: die von kirchlichen Organisationen wie Caritas und Diakonie geleisteten Sozialarbeiten werden vom Staat finanziert, ohne Caritas und Diakonie würden sie genauso aus öffentlichen Mitteln (und fallweise aus Nutzerbeiträgen) bezahlt werden! Ob jetzt die Volkshilfe oder die Caritas solche Tätigkeiten leistet: es kostet dasselbe. Weil die Volkshilfe wird nicht von der SPÖ, die Caritas nicht von der r.k. Kirche und die Diakonie nicht von den evangelischen Kirchen finanziert!

Sehr witzig dann noch die Drohung, kirchliche Feiertage würden ohne Kirchen abgeschafft. Ja, weg mit dem Mist! Und allen mehr Urlaubstage plus mehr staatliche Feiertage: Den 12. Februar im Gedenken an den Aufstand gegen den Klerikalfaschismus im Jahre 1934, den 27. April im Gedenken an die Wiedererrichtung der Republik Österreich im Jahre 1945, den 12. November als Tag des Beschlusses über die Republikgründung 1918, den 10. Dezember als Tag der Menschenrechte, den 21. Dezember als Tag des Staatsgrundgesetzes von 1867. Und Ostern und Weihnachten haben schon die alten Kelten als Jahreszeitenfeste gefeiert, für den Osterhasen und den Weihnachtsmann braucht niemand eine Kirche.

Und was für eine Aufgabe soll das sein, die Politik an das "Reich Gottes" zu erinnern? Gibt es eine staatliche Reich-Gottes-Pflicht? Dass die Religion die Politik kontrolliert: Kirchen habe weder Sonderrechte, noch Sonderaufgaben, auch ein Bischof oder ein Papst hat nur das Recht auf Meinungsäußerung und sonst nichts! Kirchen sind maximal NGOs, Non-Governmental Organizations. Der Staat braucht die Kirchen nicht, aber die Kirchen brauchen den Staat: um in den Schulen den Mitgliedernachwuchs auf Staatskosten abrichten zu lassen und all das andere, wo Staatsgelder sinnlos in Kirchentaschen fließen oder durch die Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages zurück in die Taschen der Kirchenmitglieder. Dieses Geld könnte der Staat mit 100%-iger Sicherheit für weitaus Sinnvolleres ausgeben!

PS: der staatliche Rundfunk finanziert auch mit den Gebühren der Religionsfreien solche religiöse Propagandasendungen. Und wo kommen dort Religionsfreie zu Wort?