"Fiskalpakt" ist eine Katastrophe

Unter dieser Überschrift sandte der Linzer Hans Riedler, langjähriger Funktionär der katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung und OÖ-Menschenrechtspreisträger 2009 folgenden Offenen Brief aus:

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,
ein händeringender Appell eines überzeugten Demokraten und sozial fühlenden, denkenden und engagierten Österreichers - praktisch in letzter Minute - stimmen Sie diesem Fiskalpakt nicht zu!

Der geplante "Fiskalpakt" ist eine Katastrophe.

Er wird nach der Überzeugung namhafter Finanzexperten die wirtschaftliche und soziale Lage in Europa nachhaltig verschlechtern und soll nun nicht wie vorgesehen im Herbst, sondern bereits Anfang Juli 2012, vom Österreichischen Parlament beschlossen werden.

Ich bin kein Finanzexperte, aber das verstehe auch ich als "Laie":
Die Methode des kollektiven Sparens bewirkt das Gegenteil von dem, was erreicht werden soll. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien liefern die anschaulichsten Beispiele dafür. Je höher die "Sparpakete" mit Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen sowie Einschränkungen von öffentlichen Investitionen, desto stärker schrumpft die Wirtschaft und desto stärker steigen die Zinsen und in der Folge die Staatsverschuldung - während gleichzeitig Banken mit Milliarden gerettet werden.
Der Fiskalpakt (ohne Kündigungsklausel) ist daher die falsche Antwort auf die "Krise". Er zwingt alle Staaten zu einer Politik der Ausgabenkürzungen und Privatisierung. Er verschlechtert dadurch die Lebensbedingungen vieler Menschen, vor allem die der schwächsten - ohne Aussicht auf eine Verbesserung der Verschuldungssituation der öffentlichen Haushalte. Diese "Sparkultur" soll uns Europäern mit dem "Fiskalpakt" für immer auferlegt werden im Sinne von "mehr Markt" und "weniger Staat". Es gibt weltweit kein einziges Beispiel dafür, dass derartige Sparmaßnahmen ein finanziell krankes Land genesen lassen. Wenn die Schulden zwar sinken, gleichzeitig aber die Wirtschaft einbricht und infolgedessen die Steuereinnahmen sinken, steigt die Arbeitslosigkeit - ein "Teufelskreis". Der Fiskalpakt mit dem vorgesehenen "Regelwerk" entmachtet außerdem die Nationalen Parlamente und auch das EU-Parlament - ein schwerer Schlag gegen die Demokratie. Die EU-Kommission - überwiegend von "neoliberalen Experten" beraten - entscheidet in Zukunft im Krisenfall alleine über "Wohl und Weh" eines Landes.

Meiner Überzeugung nach sind u.a. folgende Maßnahmen eine wirksame und menschengerechte Alternative zum geplanten "Fiskalpakt":
Die Reduzierung der Staatsschulden ist wichtig und richtig, aber nicht auf Kosten der Schwächeren in unserer Gesellschaft. Ein wesentlicher Beitrag ist von jenen zu leisten, die es sich auch leisten können (in Österreich besitzen die obersten 10 Prozent der Bevölkerung ca. 2/3 des privaten Finanz- und Immobilienvermögens) und dabei wieder in erster Linie von denen, die die Krise verursacht ("verspekuliert") haben. Zusätzlich ist eine klare Regulierung der Finanzmärkte unerlässlich.
Ganz wichtig erscheint mir auch der Abbau der Wettbewerbsvorteile im Außenhandel, vor allem durch gerechte, produktivitätsorientierte Löhne und Gehälter in allen Ländern, denn die Krise geht nicht vorbei, solange sich die Situation für wettbewerbsbenachteiligte Länder nicht ändert und diese Ungleichgewichte aufgrund von Lohndumping nicht beseitigt werden.
Maßnahmen sind dringend erforderlich, aber das dürfen wir nicht einer "Troika" bzw. einer "Kommission" überlassen, die dazu vom Volk keine Vollmacht besitzt.
"Informiert euch, empört euch und engagiert euch" lautet daher mein eindringlicher Appell an uns alle. Unterwerfen wir uns nicht einer menschenfeindlichen "Marktreligiosität", damit wir nicht von den "Märkten" beherrscht und unterdrückt werden. Die Märkte haben den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt!

Hans Riedler