Bei
der derzeit heftig diskutierten Beschneidung unmündiger Knaben geht es um mehr
als um einen Zipfel Vorhaut. Unsere Gesellschaft hat sich stark geändert
und ändert sich immer schneller. Diesen Veränderungen müssen wir uns stellen,
offen und ehrlich, ohne Scham, Vorurteile und Schuldgefühle.
Wer durch
Geburt oder freiwillige Entscheidung Mitglied unserer Staatsgemeinschaft ist,
unterliegt nolens volens unserem Grundgesetz. Dort sind alle Grundrechte festgeschrieben
die in keinem Falle in ihrem Wesensgehalt angetastet werden dürfen. (GG Art.
19 (2))
In der derzeit tobenden Diskussion um religiös bedingte Beschneidung
von Unmündigen sind folgende grundsätzlichen Regeln unserer Verfassung zwingend:
1.Niemand
darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an
religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.
Art.140 GG (§ 136 WRV);
2.Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet
ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden
Gesetzes. Art.140 GG (§ 137 WRV);
3.Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit. Art.2 (2) GG;
4.Pflege und Erziehung der Kinder sind das
natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über
ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Art. 6 (2) GG;
All
diese Grundrechte sind Menschenrechte. Diese zu vertreten und zu verteidigen
muss ein fundamentales Anliegen aller aufrechten Demokraten sein. Beim Beschneidungsurteil
von Köln handelt es sich zwar um eine jener allzu voreilig und leichtfertig
abgetanen Einzelfallentscheidungen, aber es ist vor allem eine Chance, die aufgeworfene
Problematik grundsätzlich und offen zu diskutieren. Da braucht man sich nicht
schamhaft hinter angetanem Unrecht zu verstecken. Unsere Geschichte ist voll
davon, jeder gegen jeden und allen voran die Catholica. Auch die Meinung des
Ethik-Rates ist nur eine unter vielen und eher fragwürdig, wenn 50% seiner Mitglieder
durch religiöse Funktionen befangen sind.
Der rechtliche Rahmen ist
haarklein und messerscharf im GG vorgegeben. Sonderregelungen sind daher
nicht nötig und höchstwahrscheinlich verfassungswidrig. Hier sind vor allem
die betroffenen Religionsgemeinschaften gefordert, auch die christlichen. Sie
müssen sich klar werden und festlegen, wie sie ihre religiösen Rituale im Rahmen
der für uns alle geltenden Gesetze regeln wollen. Uns steht eine interessante
Diskussion bevor. Es geht wirklich um mehr als um einen Zipfel Vorhaut. Es
geht um die Würde des Menschen, insbesondere des wehrlosen.