Wie die Agentur kathweb am 8.9.2012 über die Sommerakademie
in Stift Rein berichtete, sind laut Aussage des Philosopen Herbert Schnädelbach
Atheismus und Glaube eng verbunden. "Ein guter Atheist sollte zumindest
fromm in dem Sinn sein, dass er seinen Unglauben nicht auf die leichte Schulter
nimmt, sondern ihn sein Leben bestimmen lässt; dann ist auch er religiös".
Dazu muss man nachschauen, wie das Wort "Religion"
zu definieren ist. Laut Wikipedia gibt's zwei Religionsdefinitionen, der
"substanzialistische Religionsbegriff" bezieht sich auf inhaltliche
Merkmale von Religion, da die Definition vom Wesen der Religion abgeleitet wird
und die wesentlichen Merkmale von Religion charakterisiert werden sollen. Er
begreift Religion als etwas, das sich auf das Heilige, das Transzendente, das
Absolute, das Numinose oder das Allumfassende bezieht. Der
"funktionalistische Religionsbegriff" definiert Religion über die
Funktion. Er geht davon aus, dass Religion für das Individuum und die Gesellschaft
eine prägende Rolle spielt und diese mitgestaltet. Religion wird hier über die
soziale Funktion, d.h., in Bezug auf gesellschaftliche und individuelle
Zusammenhänge, definiert.
Mit der zweiten Definition hätte Schnädelbach, der sich
selber einen "frommen Atheisten" nennt, recht. Allerdings würde diese
Definition jedwede Weltanschauung inkludieren, egal ob jetzt jemand ein
Vegetarier, Philatelist, Heavymetal-Fan, Bergwanderer, Nationalist, Sozialist etc. oder eben
Atheist ist. Somit gäbe es praktisch nur religiöse Menschen, weil für irgendwas
interessiert und nach
irgendwas richtet sich jeder Mensch, also erscheint die zweite Variante eher
unbrauchbar, weil sie auch alle Leuten, welche die in der ersten Definition
angeführten religiösen Merkmale ablehnen, ebenfalls zu "Religiösen"
machen würde.
Dass der Gestalter dieser Site "seinen Unglauben nicht
auf die leichte Schulter nimmt, sondern ihn sein Leben bestimmen lässt",
stimmt sicherlich. Weil sonst wäre ich ja nicht so deppert und säße jeden Tag oft
stundenlang am PC und verkündete meinen Unglauben. Wozu ich allerdings zu sagen
wage, bei mir hat diese Ausrichtung der Aktivitätsschwerpunkte im Laufe des Lebens des
öfteren gewechselt und
außerdem immer mehrere Elemente parallel gehabt. Zurzeit macht es mir Spaßvergnügen,
atheistisch zu agitieren. Für eine Sache allein hab ich mich jedoch nie interessiert, auch jetzt lebe ich nicht für den Atheismus. Für den Besucher meiner Site schaut's natürlich aus, als
gäb's außer Atheismus bei mir nix. Dem ist nicht so.
Weiter heißt es im kathweb-Bericht über den
Schnädelbach-Vortrag: Zu den dringlichsten Anfragen an den biblischen
Gottesglauben zählt für den Philosophen das "Theodizee-Problem", also
die Rechtfertigung Gottes angesichts der menschlichen Leidensgeschichte.
Sämtliche theologische Antworten wirken angesichts etwa der
Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts "kläglich". Das
Theodizee-Problem müsse vielmehr ernst genommen werden als "begründeter
Zweifel an der Glaubwürdigkeit unserer religiösen Überlieferung" - diese
Zweifel seien es auch, "die geeignet sind, nachdenkliche Menschen zu
Atheisten zu machen, sei es im Sinn des Glaubens, dass Gott nicht existiert,
oder des Nicht-glauben-Könnens, dass er existiert."
Das ist eigentlich für eine
Veranstaltung in einem Stift eine schöne Verkündigung. Kathweb sagt dazu
nichts. Was sollte man dort auch sagen? Denn das Theodizee-Problem ist nicht lösbar.
Ist Gott gut, dann müsste er sich um das Böse kümmern und es verhindern
oder zumindest die Guten, also seine Anhänger davor schützen. Aber ein Erdbeben
oder ein Flugzeugabsturz fragt nicht nach der Religion. Gott hilft höchstens
zufällig, so wie eine geworfene Münze auf Zahl oder Wappen fällt, die
religiösen Folgen davon sind auf dem nebenstehenden Schema zu sehen. Und dieses
Schema beweist auch die reale Gottlosigkeit der Welt, Gottvertrauen müsste
sinnvoll sein, dazu dürfte es jedoch diese Ja-Nein-Varianten gar nicht geben.