Preisgekrönte Blasphemie

Ulrich Seidl gewann für "Paradies: Glaube" in Venedig den Spezialpreis der Jury







Katholische Fanatiker hatten gegen ihn Anzeige wegen "Blasphemie" erstattet, offenbar gibt es auch in Italien ein ähnliches juristisches Überbleibsel aus dem Mittelalter wie in Österreich, siehe Info Nr. 1041.

Dazu aus einem Kurier-Interview vom 9.9.2012:
Man hat Ihnen Blasphemie vorgeworfen, weil in einer Szene unter der Bettdecke eine angedeutete Masturbation mit Kruzifix stattfindet. Wie stehen Sie dazu?
Dem stehe ich gelassen gegenüber, weil ich weiß, dass es sich nicht um Blasphemie handelt. Erstens gibt keine explizite Darstellung; und zweitens, wenn man sich in die Hauptfigur hineinversetzt - und das tue ich - dann ist diese Entwicklung im Sinne dieser Figur richtig und legitim. Es handelt sich ja nicht um die ausgestellte Lächerlichmachung eines religiösen Befindens. Es wäre etwas ganz anderes, wenn ich mich darüber erheben oder etwas karikieren würde. Aber das tue ich nicht.

Kam diese heftige Reaktion seitens der katholischen Kirche für Sie unerwartet?
Natürlich weiß ich, dass diese Szene ein Tabu bricht. Doch sie fällt nicht aus der Handlung heraus, sondern ist eingebunden. Aber wenn Sie mich schon so fragen, dann hätte ich mir eher eine Reaktion vom Vatikan gewünscht ... (lacht) ... und nicht von einer extrem katholischen Organisation, die sich den Abtreibungsparagrafen zum Feind gemacht hat. Ich finde, die Kirche hat so viel in den eigenen Reihen aufzuräumen, dass ich diese Gegnerschaft gerne auf mich nehme.

In einem Profil-Interview vom 18.8.2012 hatte Seidl bezüglich der katholischen Kirche gesagt:
profil: Sie haben ja selbst oft gesagt, Sie seien vom Katholizismus geschädigt.
Seidl: Deshalb kann ich diesen Schaden so gut nachvollziehen. Maria wuchs in einer bäuerlichen Großfamilie auf, wo man wenigstens dreimal am Tag stehend in der Küche zu beten hatte.

profil: Haben Sie das Gefühl, Ihre eigene katholische Last verarbeitet zu haben?
Seidl: Wenigstens insofern, als ich damit nicht mehr hadere. Ich habe lange Zeit meines Lebens gegen den Katholizismus angekämpft.
profil: Wogegen denn genau?
Seidl: Wenn man so streng erzogen wird, kämpft man vor allem mit dem schlechten Gewissen. Das kriegt man ein Leben lang nicht mehr los. Die Gottesfurcht holt einen

Soweit Seidl. Meine eigene Schädigung durch den Katholizismus lag auf einer anderen, milderen Ebene. Wie auf dieser Site ja immer wieder geschildert, hatte ich eine religionsfreie Kindheit, die durch die damaligen Umstände - im dörflichen Bereich gab es keine Religionsfreiheit - durch Taufe und Religionsunterricht wesentlich beeinträchtigt wurde. Aber ich hatte kein schlechtes Gewissen, sondern mein Problem war es, religionsfrei zu sein und zwölf Jahre in der Schule Religiosität heucheln zu müssen. Was mich knapp 60 Jahre später immer noch motiviert, ein aggressiver Krawallatheist zu sein! Der Teufel hole die katholische Kirche! Zu schade, dass es auch den Teufel nicht gibt ...