In der heutigen Pressekonferenz bestärkten die Deutsche Kinderhilfe und
ihre Partner den Appell an die Bundesregierung und den Bundestag, keine voreiligen
Schritte im Bezug auf die rituelle Beschneidung von einwilligungsunfähigen Jungen
zu ergreifen. Die anwesenden Organisationen und Experten betonten die Notwendigkeit
einer sachlichen Debatte unter Einbezug der Kinderrechte, insbesondere des Rechtes
auf körperliche Unversehrtheit. Auf ein zweijähriges Moratorium und die Einrichtung
eines Runden Tisches zielt daher die von der Deutschen Kinderhilfe und weiteren
Verbänden und Einzelpersonen am 23. Juli 2012 beim Deutschen Bundestag eingereichte
Petition mit der Nummer 26078. Aktuell gibt es keine verbindliche Auskunft über
ihren Status. Informationen zur Unterzeichnung finden Sie ab sofort unter http://die-petition.de.
"Angesichts der eindeutigen Stellungnahmen der Experten, Vorhautamputationen
stellten einen schwerwiegenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von
Kindern dar, tritt die Deutsche Kinderhilfe als unabhängige Kinderrechteorganisation
uneingeschränkt für die Wahrung der Kinderrechte ein. In dieser zweifelsohne
belasteten und schwierigen Debatte zeigt sich, ob Kinderrechte nur in Sonntagsreden
und an Kindertagen zelebriert werden oder ob die Gesellschaft es mit dem Schutz
von Kindern ernst meint." So Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen
Kinderhilfe.
Der aus Israel angereiste Eran Sadeh, Jude, Israeli, Vater und Gründer von
Protect the Child zeigte sich heute dankbar für die Gelegenheit, in Deutschland
zu dem Thema religiöse Beschneidungen Stellung beziehen zu können: "Frau
Bundeskanzlerin Merkel, die Bewegung zur Zwangsbeschneidung von Minderjährigen
ist eine globale Bewegung. Überall auf der Welt richten Männer, die wie ich
durch die Amputation ihrer Vorhaut verletzt sind, Mütter und Väter, die gegen
ihren Willen aufgrund von Religion, Tradition und gesellschaftlichem Druck ihre
Kinder verletzen müssen, Eltern, die tapfer genug sind, sich nicht anzupassen,
Wissenschaftler aus allen Disziplinen und gewöhnliche Bürger ihre Augen auf
Sie und auf Deutschland, damit es eine Vorreiterrolle beim Schutz der Menschenrechte
von Kindern übernimmt", so Eran Sadeh in der Bundespressekonferenz.
Aus ärztlicher Sicht stellt die Beschneidung einen höchst bedenklichen, gefährlichen
und mit Schmerzen verbundenen Eingriff dar. Dr. Ulrich Fegeler, Bundespressesprecher
des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte berichtete dazu: "Die rituelle
Beschneidung als Körperverletzung zu werten ist somit auch aus ärztlicher Sicht
richtig. Sie verändert den Körper des Kindes irreversibel, ohne dass dafür eine
medizinische Indikation vorliegt. Der Eingriff, soweit nicht kinderchirurgisch
durchgeführt, ist robust und blutig. Er ist mit einer nicht zu vernachlässigenden
Komplikationsrate von immerhin 6% belastet. Sofern dieser Eingriff nach mosaischem
und nach klassischem muslimischem Ritus traditionell ohne Analgesie durchgeführt
wird, ist diese Art der Beschneidung ein mit erheblichen Schmerzen verbundener
Eingriff, der damit sogar in die Nähe der schweren Körperverletzung rückt".
Diese Einschätzung teilt ebenfalls Prof. Dr. Matthias Franz, stellv. Direktor
des Klinischen Instituts für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am
Universitätsklinikum Düsseldorf und Vorsitzender des Instituts für Seelische
Gesundheit und Prävention Düsseldorf e.V.: "Der Schutz von Frauen, Minderheiten
und besonders Kindern vor Gewalt und Verletzungen ist ein zivilisatorischer
Großtrend in vielen demokratischen Gesellschaften, auch in Deutschland. Diese
Entwicklung sensibilisiert eine breite Öffentlichkeit für die Wahrnehmung problematischer
Aspekte der rituellen Genitalbeschneidung auch bei Jungen. Dieser äußerst schmerzhafte
und irreversible Eingriff geht mit bedeutsamen körperlichen, sexuellen und psychischen
Schädigungsrisiken einher, über die viele Eltern vor der Beschneidung ihres
Sohnes nicht aufgeklärt werden. Es sind Todesfälle beschrieben und nicht selten
resultieren lebenslang körperliche Probleme, Ängste oder Einschränkungen der
sexuellen Erlebnisfähigkeit. Diese Risiken werden auch heute noch bagatellisiert
und klein geredet. Aus Sicht des Kindes und aus ärztlicher Sicht existiert jedenfalls
kein Grund dafür einem gesunden Jungen seine gesunde Vorhaut abzuschneiden.
Sämtliche immer wieder angeführten medizinisch-prophylaktischen Begründungen
(z.B. Prävention sexuell übertragbarer Infektionen) lassen sich - wenn vom Betroffenen
gewünscht - durch eine Beschneidung in einwilligungsfähigem Alter realisieren.
Durch die Genitalbeschneidung wird das grundgesetzlich verbriefte Recht des
Kindes auf Unversehrtheit verletzt. Dieses Recht und die UNO-Kinderrechtskonvention
schützen Jungen genauso wie Mädchen vor jeder Form körperlicher Gewaltanwendung
auch wenn sie im Rahmen überlieferter Bräuche stattfindet. Einem kleinen hilflosen
Jungen das Trauma der Genitalbeschneidung trotzdem zuzufügen befriedigt ausschließlich
Bedürfnisse von Erwachsenen. Diese sind aber häufig in ihrem Handeln befangen
durch klerikale Machtansprüche, Gruppendruck, unreflektierte Traditionen und
Schuldgefühle. Seine normative Kraft und transgenerationale Loyalität bezieht
dieses archaische patriarchalische Ritual aus der Identifikation der Opfer mit
dem Handeln ihrer Eltern. Dabei spüren viele Mütter und Väter intuitiv, dass
sie ihren Sohn und die Beziehung zu ihm durch die Beschneidung beschädigen könnten.
Die symbolisierende Transformation oder das zeitliche Aufschieben der Vorhautbeschneidung
bis zur Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen sollten deshalb auch in Deutschland
weiter Gegenstand einer faktenbasierten, argumentativen und im gegenseitigen
Respekt aller Beteiligten geführten Diskussion bleiben."
Nach Aussage von Irmingard Schewe-Gerigk, Vorsitzende von TERRE DES FEMMES
geht es der Menschenrechtsorganisation um etwas Grundlegendes: "Die körperliche
Unversehrtheit von Kindern ist ein Menschenrecht und muss für alle Kinder gleichermaßen
gelten, egal welcher Herkunft, Religion und welchen Geschlechts sie sind. Wir
machen uns stark dafür, dass irreversible Eingriffe in die Unversehrtheit von
Kindern - mit Ausnahme medizinisch notwendiger Behandlungen - generell verboten
werden. Sie dürfen weder mit Religion noch Tradition gerechtfertigt werden.
Menschenrechte sind nicht teilbar - auch nicht zwischen Mädchen und Jungen."
Dr. Avshalom Zoossmann-Diskin, Vorsitzender von Ben Shalem (Organisation
"Intakter Sohn") aus Israel, zu den Bemühungen der Deutschen Kinderhilfe:
"You try to protect the basic human rights of all children without any
regard to their religious and ethnic affiliations. Thank You so Very Much for
Your Actions to Protect the Helpless".
Die Petenten der Petition Nr. 26078 bilden mittlerweile ein sach- und vernunftorientiertes
Netzwerk ab, das die besondere Verantwortung aus der deutschen Geschichte, die
Religionsfreiheit, die Integration jüdischen- und muslimischen Lebens in Deutschland
und die Verpflichtung unseres Staates und unserer Gesellschaft auf Umsetzung
der UN-Kinderrechtekonvention fest im Blick hat. Ihr Ziel ist es, weitere Organisationen
und eine große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern zur Teilnahme an der Petition
zu bewegen.
Informationen zur Unterzeichnung der Petition finden Sie ab sofort unter
http://die-petition.de. Anbei auch
die Pressemappe!
PS:
BesucherInnen meiner Site aus Deutschland werden dringend eingeladen, die Petition
zu unterzeichnen! Vorwärts nach http://die-petition.de!