Kirchlich katholisch, staatlich bekenntnisfrei

In Österreich hat die katholische Kirche schon 2007 eine Vorsichtsmaßnahme beim Kirchenaustritt getroffen. Wer aufgrund einer seltsamen Gesetzeslage bei den zuständigen staatlichen Behörden seinen Kirchenaustritt bekannt gibt, wird vom Bischof der jeweiligen Diözese angeschrieben und aufgefordert, den Austritt zu überdenken und mit dem Pfarrer seines Wohnortes darüber zu reden.


Wer aus der ÖVP, der Freiwilligen Feuerwehr oder dem Alpenverein austreten will, teilt das der Partei, der Feuerwehr, dem Verein mit und die Sache ist erledigt, kein Mensch käme auf die Idee, deswegen auf die Bezirkshauptmannschaft oder das Magistrat gehen zu müssen. Da in Österreich keine wirkliche Trennung zwischen Staat und Religion besteht, müssen sich Kirchenaustreter staatlich abmelden und die Kirchen erstellen ihre Mitgliederlisten aus den Meldedateien, weil in die Meldezettel das Religionsbekenntnis einzutragen sei. Allerdings: nicht eingetragen werden muss, denn es gibt keine Sanktionen, wenn jemand in der betreffenden Spalte keine Angaben macht.

Die Ursache dafür liegt im 19. Jahrhundert, weil nachdem 1867 durch das österreichische Staatsgrundgesetz die Religionsfreiheit, also Religionswechsel und Religionslosigkeit, garantiert wurde, weigerte sich die katholische Kirche, Austritte zu akzeptieren, weil in der kath. Kirche das Prinzip gilt, einmal katholisch - immer katholisch, die katholische Taufe ist kirchenrechtlich unwiderruflich. So musste damals der Staat die Kirche auf Umwegen dazu zwingen, Religionswechsel und Religionslosigkeit zu akzeptieren, indem diese Maßnahmen staatlich bearbeitet wurden und die kath. Kirche nur die Information erhielt, jemand sei z.B. zu den Protestanten gewechselt oder ab sofort ohne Bekenntnis. Dagegen konnte die Kirche nichts mehr unternehmen, diese Ende der 1860er-Jahre eingeführte Regelung gilt heute noch.

Wie hier schon ausführlich auf Info Nr. 1079 und Info Nr. 1083 berichtet, gibt es seit einiger Zeit in Deutschland Bemühungen, sich der Kirchensteuerpflicht durch den dort ebenfalls staatlich geregelten Kirchenaustritt zu entziehen, aber die gültige kirchenrechtliche Austrittsregelung - Actus Formalis Defectionis Ab Ecclesia Catholica von 2006 - zu unterlaufen, indem die darin vorgeschriebene Deklaration des Glaubensabfalls verweigert wird.

Staats- und kirchenrechtlich ist die Lage in Österreich der deutschen Situation sehr ähnlich. Da Atheisten häufig freundliche Menschen sind, zwar nicht sonntags über die Nächstenliebe predigen, aber alle 7 Tage in der Woche gerne helfen, bringe ich hier für gläubige Katholiken, die den Kirchenbeitrag nicht mehr an die Kirchenbeitragsstelle überweisen wollen - aus welchen Gründen auch immer - die Vorlage eines Antwortschreibens auf den obigen Bischofsbrief, in dieser Vorlage wird versucht, kirchenrechtlich sicherzustellen, dass ein staatlicher Austritt kein Austritt aus der katholischen Gemeinschaft und vor allem kein Glaubensabfall ist. Hier das diesbezügliche Musterschreiben als PDF.

PS: Diese Möglichkeiten wurden in der Folge durch entsprechende Änderung im staatlichen Kirchensteuerrecht unterbunden!