Jesus, du weißt

So heißt ein Film von Ulrich Seidl aus dem Jahre 2003. Am 20.10.2012 lief im ORF-Radio Ö1 eine Sendung über diesen berühmten österreichischen Filmemacher. Ich hab mir deshalb die DVD mit dem o.a. Film hervorgeholt wieder angesehen.


Es geht dabei um eine Art Doku über gläubige katholische Christen, die vor einer Filmkamera zu Jesus beten, ihm ihre Wünsche, Anliegen und Beschwernisse vortragen.
Seidl hat zwar die Repräsentanten dafür ausgesucht, aber er wertet nicht, er kommentiert nicht, er dokumentiert Beispiele. Hilflose Menschen, die nach überirdischem Beistand flehen, psychisch Leidende, Minderwertigkeitskomplexler, Frustrierte, Schwätzer und Heuchler.

Religion als "Opium des Volkes" ist inbegriffen, aber keineswegs der Hauptaspekt. Eigentlich müsste die katholische Kirche diesen Film anlässlich des "Jahr des Glaubens" von Oktober 2012 bis November 2013 propagandistisch verwenden.

Er zeigt auch wirkliche Gläubige, die sich voller Hoffnung an den katholischen Jesus wenden, also quasi die oft beschworenen "Glaubenszeugen". Allerdings hieß es im bischöflichen Hirtenbrief zum "Jahr des Glaubens" ausdrücklich "der Glaube zeigt sich am überzeugendsten durch die Freude, die er schenkt". Seidls Beter zeigten ihren Glauben in ihren Problemen, Wünschen und Leiden. Es waren eher Widerspiegelungen ihrer unerfüllten Sehnsüchte, Wunschträume, ihrer Leiden und Bekümmernisse. Die gequälte Kreatur suchte nach Hoffnung und Hilfe. Der Hirtenbrief wird durch ein Zitat aus dem 1. Petrusbrief eingeleitet: "Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht, aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: Euer Heil".

Im Seidl Film jubelt niemand in unsagbarer von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude. Die dort auftretenden Personen leiden und wollen von ihren Leiden erlöst werden oder trachten sich in Selbstgefälligkeit zu rechtfertigen. Im Film wird niemand erlöst oder gerechtfertigt, die religiöse Selbstbehandlung bewirkt nicht einmal Placebo-Effekte. Die Hoffnung war für alle offenbar vergebens. Der Seidl-Film wird daher von der katholischen Kirche kaum für die für das Glaubensjahr geplante Verbreitung der Rechenschaftsgebung für den katholischen Glauben Verwendung finden können, dazu sind die Gebete und die an den Jesus vorgetragenen Wünsche und Bitten zu trist, zu eitel und fern davon, Erfüllung finden zu können.

Aber schaut Euch einfach den Film an, Jesus, du weißt, Fa. Hoanzl, 88 min, Euro 9,99: Aus dem Werbetext der DVD: "Sechs Gläubige vertrauen in einem offenen, intimen Gespräch an Gott ihm ihre Beichten und Gebete an. Der Zuschauer wird mit dem direkten Blick der Christen konfrontiert, er hört sie - wie in einem Beichtstuhl - stellvertretend für den allmächtigen Herrn und Herrscher."

Das Elend der Religion spiegelt sich darin wider. Nicht vorsätzlich, sondern in der objektiven Betrachtung des Dargebotenen.