Kruzifixterror gescheitert

In der Info Nr. 306 vom Oktober 2010 wurde über den Schweizer Lehrer und Freidenker-Funktionär Valentin Abgottspon berichtet, der wegen seiner Weigerung, im Klassenzimmer unter einem Kruzifix zu unterrichten, fristlos entlassen worden war. Diese Entlassung war vom Walliser Staatsrat bestätigt worden. Dagegen reichte Abgottspon eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichts des Walliser Kantonsgericht ein. Dieses gab der Beschwerde nun recht. Allerdings auch mit der Methode "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass". Auf den Kündigungsgrund der Weigerung, ein Kruzifix aufzuhängen, wurde konkret nicht eingegangen, sondern der formale Ablauf der Entlassung genügte: die Rechte des Entlassenen waren nicht gewährt worden: "Das Kantonsgericht vermochte das Fehlverhalten, das dem Lehrer zum Vorwurf gemacht wurde, nicht als dermaßen schwerwiegend zu qualifizieren, dass es eine fristlose Entlassung ohne Abmahnung gerechtfertigt hätte", heißt es im Urteil. Überdies sei Abgottspon nicht angehört worden, eine Anhörung zum Vorwurf sei ihm rechtlich zugestanden. Ein Recht auf Wiedereinstellung stehe ihm jedoch nach der Gesetzeslage nicht zu, die fristlose Entlassung wandelt sich dadurch aber in eine Kündigung mit den entsprechenden Kündigungsrechten. Auch sonstige rechtliche Punkte in diesem Zusammenhang blieben rechtlich ohne Behandlung.

Die Stellungnahme der Schweizer Freidenker-Vereinigung:

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Beschwerde von Valentin Abgottspon gegen seine fristlose Entlassung im Oktober 2010 durch die Schulgemeinde Stalden vom Walliser Kantonsgericht gutgeheißen worden ist. Zwar war ein Rechtsgutachten 2011 zum selben Resultat gekommen, aber der Walliser Staatsrat zeigte sich unbelehrbar und frühere Urteile des selben Gerichts ließen befürchten, dass das Gericht sich hinter den Staatsratsentscheid stellen würde..
Erfreulich ist deshalb, dass nun das Kantonsgericht feststellt:
- das Verhalten, das dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht wurde, ist nicht als dermaßen schwerwiegend zu qualifizieren, um eine fristlose Entlassung zu rechtfertigen
- die Verantwortlichen haben Valentin Abgottspon vor dem Entscheid nicht angehört, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist
Das Gericht hat deshalb die Entscheide der Regionalschule und des Staatsrats aufgehoben.
Das Kantonsgericht nimmt keine Stellung zur materiellen Frage von Religion und Schule. Es verweist jedoch auf den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. März 2011, in dem dieser in der festgehalten hat, dass Kruzifixe in Klassenzimmern öffentlicher Schulen oder auch an anderen öffentlichen Orten Italiens keine Grundrechte verletzen.
Namhafte Schweizer Staatsrechtler betonen jedoch, dass dieses Urteil des EGMR den Entscheid des Bundesgerichts nicht berühre, in dem es 1990 entschieden hatte, dass ein Kruzifix im Schulraum in Cadro sich nicht mit der Neutralität einer staatlichen Institution vertrage. Zudem bezog sich das Urteil des EGMR lediglich auf ein Kruzifix im Schulzimmer, das für sich allein nicht unbedingt eine Grundrechtsverletzung bewirken könnte.
Im Fall Abgottspon und im Wallis ging es aber um weit mehr als das reine Kruzifix, es ging auch darum, dass laut Walliser Schulgesetz die Schulen die Kinder auf ihr Leben als "Mensch und Christ" vorzubereiten haben und dass Walliser LehrerInnen Schulkinder in Gottesdienste begleiten und sich an Vorbereitungen für religiöse Zeremonien beteiligen müssen.