"Vorhof der Völker" gescheitert

Eine Idee von Papst Ratzinger war es, auch mit Glaubensfernen und Glaubenslosen ins nähere Gespräch zu kommen. Dazu erfand er in Anlehnung an den Bereich des antiken Jerusalemer Tempels, der für Nichtjuden vorgesehen war, den "Vorhof der Völker". Dieser sollte für ein "ernsthaftes und von Respekt geprägtes Gespräch" zwischen Christen, Atheisten und Agnostikern dienen. Im März 2011 ging es damit los. Wobei jedoch Ratzingers Vorstellungen über so ein Gespräch mehr als skurril waren, er sah das so: "Ich denke, so eine Art ‚Vorhof der Heiden' müsse die Kirche auch heute auftun, wo Menschen irgendwie sich an Gott anhängen können, ohne ihn zu kennen und ehe sie den Zugang zum Geheimnis gefunden haben, dem das innere Leben der Kirche dient. Zum Dialog der Religionen muss heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten."

Eine schrecklich naive Weltsicht! Der Herr Papst glaubte offenbar tatsächlich, religionsfreie Menschen wären deshalb ohne Religion, weil sie nichts über die christkatholische Glaubenslehre wissen, aber gerne was wissen möchten? Man sammelte sich jedenfalls für die jeweiligen Treffen nach eigenem Gutdünken einige auserwählte (Pseudo-)Atheisten zusammen. Worum es bei den Gesprächen dann letztlich gegangen ist, gelangte kaum an die Öffentlichkeit, jedenfalls gab es im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 weitere solche Zusammenkünfte. Wie der ORF im April 2012 meldete, will der "Vatikan neue Gesprächsinitiativen mit Nichtglaubenden und Suchenden auch im deutschsprachigen Raum durchführen und plant dazu je eine Veranstaltung in Berlin und in Österreich". In der österreichischen Atheisten-Szene hat die katholische Kirche jedenfalls keine Dialogpartner gesucht.

Anfangs war vom "Dialog" die Rede gewesen. Was wohl nicht so recht funktionieren konnte. Wie dialogisieren schließlich Leute, die an Götter glauben, mit Leuten, die dies nicht tun? Die Ersteren sagen: wir stellen die These auf: es gibt einen Gott. Die Letzteren antworten: wir stellen keine These auf, weil über Sachen, die es nicht gibt, kann man keine Thesen aufstellen. Worüber wird dann dialogisiert?

Das scheint auch der Ratzinger gesehen haben und verschob seinen Schwerpunkt auf gottlose Gottsucher, möglicherweise hat er jedoch dabei kein bisschen mitbekommen, dass Gottlose deswegen gottlos sind, weil sie keinen Gott brauchen und / oder weil sie die Religionen gut genug kennen, um sich davon fernzuhalten. Ich habe z.B. zwölf lange Jahre Religionsunterricht erleiden müssen und weiß deshalb wohl begründet, warum ich Atheist bin.

Jedenfalls schafft zurzeit Ratzinger seinen "Vorhof der Völker" defakto wieder ab, die Veranstaltungen hätten zwar Zuspruch gefunden, aber kein wachsendes allgemeines Interesse hervorgerufen, für die Medien waren Wortmeldungen Ungläubiger in diesem "Vorhof" alsbald nichts Bemerkenswertes mehr. Zum bisher letzten Treffen in Portugal im November 2012 ließ Ratzinger jedenfalls die Botschaft los, man wolle mit jenen sprechen, die Gott fern stehen, um in ihnen "den Wunsch nach der Suche Gottes neu zu wecken". Nach Ratzingers Weltsicht müsse das Leben jedes Menschen Gott ins Spiel bringen. Der Wert des Lebens würde nur offenkundig, wenn es Gott gibt. Deshalb wäre es gut, wenn die Nicht-Gläubigen leben möchten, als wenn es Gott gäbe.

Ui, und darüber will der Papst jetzt mit Glaubenslosen einen Dialog führen? Ratzinger ist wahrlich nicht von dieser Welt! Der Vatikan soll nun diese Vorhofgespräche "vertiefen" - mit wem will man dort reden? Gottsuchende Atheisten wird es kaum geben und an Ungläubigen, die sich selbst darstellen, hat der Vatikan kein Interesse. Der vatikanische "Vorhof der Völker" als Evangelisierungsgebiet für gottsuchende Gottlose ist eine Phantasterei, dort werden dann nur noch katholische Würstel im eigenen katholischen Saft gekocht werden. Aber immerhin: Ratzinger hat zumindest indirekt zugegeben, dass er sich nicht traut, Ungläubigen auf Augenhöhe gegenüberzutreten und mit ihnen zu diskutieren. Da ahnt er wohl, dass er dabei keinerlei Chancen hätte. Ist doch auch schön!