Helmut Schüller von der Pfarrerinitiative äußerte sich schon am 11.2.2013
ziemlich rigoros über seine Wünsche an einen neuen Papst. Wenn man Schüller
und seinen Vergleich beim Wort nimmt, dann soll der neue Papst die katholische
Kirche abschaffen. Wäre eine gute Idee!
Die OÖNachrichten schrieben am
13.2. über Schüllers Aussagen zu Ratzingers Rücktritt und die Zukunft der katholischen
Kirche im vorletzten Absatz: "Die Weltkirche solle weltkirchlich und
nicht von einem vatikanischen Zirkel geleitet werden. Es müssten Wege zur Einbindung
der Basis gefunden werden. Notwendig sei dazu ein Papst, der einerseits aus
dem Inneren des Vatikan komme, andererseits aber reformorientiert sei. Er nehme
an, dass es solche Leute gibt, sagt Schüller. Die Frage sei, ob sie aus der
Deckung kommen. 'Ich hoffe da auf eine Art Gorbatschow-Effekt: Der letzte
Staatschef der UdSSR wurde von gut informierten Kreisen auf seinen Platz gesetzt.
Er hat Dinge in Bewegung gesetzt, die ihm dann entglitten sind'."
In
der UdSSR der Chrustschow-Ära in den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren liefen
relativ viele Reformen ab. Entstalinisierung, der 20. Parteitag der KPdSU,
die führende Rolle der Sowjetunion in der Weltraumtechnik usw. Als Reformversuche
in der Landwirtschaft scheiterten, weil sie mit untauglichen Mitteln vorgenommen
worden waren (der Scharlatan Trofim Lyssenko hatte mit seiner "Lehre"
über die Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften die sowjetische Saatgutzucht
ruiniert), wurde Chrustschow abgesetzt und Leonid Breschnew installierte
sich für lange Jahre als Verwalter des Kommunismus, man wähnte sich schon nahe
am Ende der Geschichte, näherte sich aber in Wirklichkeit dem Ende des Realsozialismus,
weil dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt im Westen kaum was entgegengesetzt
wurde und die Planwirtschaft ihre Aufgaben längst nicht mehr erfüllen konnte.
Breschnew und sein Team waren in ihrer Mentalität in etwa solche Bewahrer
des Althergebrachten gewesen wie Wojtyla, Ratzinger und ihre Gesinnungsfreunde.
Als
Notnagel in der verfahrenen Situation bestimmte 1985 die KPdSU schließlich das
Politbüromitglied Michael Gorbatschow zum neuen Zentralsekretär der Partei,
von ihm erwartete man, dass er mit Reformen das Steuer des sinkenden Schiffes
herumriss.
Gorbatschow führte "Glasnost" und "Perestroika"
ein, "Offenheit" und "Umgestaltung" und scheiterte damit
völlig. Der einzige sinnvolle Weg wäre es wohl gewesen, den Versuch Lenins
nach dem Ende des Bürgerkriegs in den 1920er-Jahren wieder aufzunehmen: das
hatte damals "Neue Ökonomische Politik" (NÖP) geheißen und funktionierte
die kurze Zeit, in der sie existierte, überraschend gut. Der KP-Staat ließ Eigeninteressen als ökonomischen Motor zu, Bauern, Gewerbe, Einzelhandel
erhielten einen entsprechenden Freiraum, die Versorgungslage besserte sich rasch,
die Wirtschaft funktionierte speziell im infrastrukturellen Bereich dank der
Zulassung marktwirtschaftlicher Methoden recht gut. Diese Methode wurde
von Stalin 1928 abgeschafft und durch eine strikte Planwirtschaft ersetzt, die
allerdings nur solange funktionierte als man damit die vorrevolutionären riesigen Entwicklungsrückstände
des alten Russlands aufholte, der Umstieg von extensiv auf intensiv scheiterte.
Gorbatschow war weder Marxist (das war schon Breschnew nicht gewesen), noch
Ökonom, er meinte mit Meinungsäußerungen und Diskussionen was ändern zu können,
aber er änderte nichts an den materiellen Grundbedingungen und steuerte die
Sowjetunion damit nur weiter auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu. Allerdings
erfolgte der politische Zusammenbruch vorher und aus den Trümmern der Sowjetunion
entwickelte sich ein neoliberaler Staat der Konkursgewinnler.
Denn Gorbatschow hat ja keinen besseren Kommunismus, keine stärkere Sowjetunion geschaffen, sondern das System und seinen Staat liquidiert. Eine Gorbatschow-Reform der katholischen Kirche würde erstens heißen, alle Dogmen und Glaubenssätze zur Disposition stellen ("Glasnost") und die katholischen Strukturen einer naturwüchsigen Umgestaltung zu überlassen ("Perestroika"). Danach würde soviel Katholisches herauskommen, wie in Russland nach den Gorbatschow-Reformen Kommunistisches herausgekommen ist. 1987 hatte die Kommunistische Partei der Sowjetunion 19 Millionen Mitglieder, 2011 hatte die jetzige Kommunistische Partei der Russischen Föderation 156.528 Mitglieder. Umgelegt auf Österreich und auf die katholische Kirche hätte die katholische Kirche in Österreich zwanzig Jahre nach einer gorbatschowartigen Reform statt 5.361.287 nur noch 44.168 Mitglieder.
PS: die KPdSU hatte es natürlich weitaus schwieriger als die katholische Kirche. Weil eine irdische Erlösungsbewegung, die zuwenig erlöst, wird an ihren mangelhaften Taten gemessen. Dass die katholische Erlösung nicht funktioniert, erfahren jedoch nicht einmal die Verstorbenen, weil dazu sind diese dann schon zu tot ...