Die Biochemikerin Renee Schroeder hatte in einer ORF-TV-Diskussion Religion
kurz als "Quatsch" bezeichnet, worauf sich natürlich sofort der heilige
Zorn zusammenrottete. Zwar traute sich bisher niemand, Schroeder wegen Verstoßes
gegen den berüchtigten Inquisitionsparagraphen 188, "Herabwürdigung religiöser
Lehren" zu klagen, aber zurechtweisen, das müsste man sie! Und überhaupt!
Es gibt die Religionsfreiheit und das bedeutet für manche Religiöse offenbar
zuerst einmal die Freiheit von Religionskritik. Weil Religionskritik beschädigt
religiöse Gefühle. Und die Beschädigung religiöser Gefühle ist unakzeptabel!
In
der PRESSE vom 4.4.2013 erging sich der Univ.-Prof. Ulrich H. J. Körtner
vom Institut für Systematische Theologie und Religionswissenschaft an der Evangelisch-Theologischen
Fakultät in entsprechender Kritik. Er bretterte den "neuen Atheismus"
nieder. Im Speziellen klingt das so: "Die neuen Atheisten halten nicht
nur den Glauben an Gott für falsch, sie lehnen auch jeden Respekt für Religion
und Gottesglauben ab. Ihre Schriften und Kampagnen nehmen daher ganz bewusst
keine Rücksicht auf religiöse Gefühle und setzen ihre Verletzung gezielt als
Mittel des Kampfes um Aufmerksamkeit ein."
Und? Wo wird in weltanschaulichen
Diskussionen explizit auf die Gefühlswelt des Widerparts Rücksicht genommen?
Wenn die Grünen die FPÖ kritisieren, achten sie dann darauf, dass die Heiligkeit
der FPÖ-Ideologie respektiert wird? Oder wenn die FPÖ die Regierung attackiert,
gibt's dann Rücksicht darauf, ob die ÖVP-Wähler dem Herrn Vizekanzler in liebevoller
Gefühlszuneigung verbunden sind?
Nichtreligiöse haben keinen Respekt
vor religiösen Gefühlen, weil diese "Gefühle" Bestandteil der religiösen
Ideologie sind und kein Wert, der von allen Menschen zu heiligen ist. Der
neue Papst hat in seiner ersten päpstlichen Messe, alle Menschen, die nicht
zu Jesus beten, als "Teufelsanbeter" bezeichnet (siehe Info Nr.
1346). Atheisten sind daher nach katholischer Ansicht Satanisten oder sonst
was Verteufeltes. Es könnte durchaus sein, dass Nichtanbeter vom Jesus durch
solche Aussagen in ihren Gefühlen verletzt sind. Wo können sie sich beschweren?
Sie können keine Anzeige wegen Verletzung nichtreligiöser Gefühle einbringen.
Warum nicht? Denn die Christenreligion lehrt: Gottvater habe die Welt
erschaffen, in einem Paradies ein ebenfalls von ihm geschaffenes kinderloses
Ehepaar leben lassen, diesem ein Gebot auferlegt, die beiden in Versuchung führen
lassen, nach dem Bruch des Gebotes die Verweisung aus dem Paradies und die Fortpflanzung
angeordnet. Den Fortgepflanzten sei die Erbsünde eingebaut worden, die an alle
Nachfahren - außer der Jungfrau Maria - weitergeben worden sei, dann habe Gottvater
u.a. einmal strafweise fast die ganze Menschheit ersäuft, als das auch nichts
nutzte eine neue Art von Umkehr versucht. Er zeugte mit einer ewigen Jungfrau
einen Sohn namens Jesus, dieser wurde zwecks Hinwegnahme aller Sünden gekreuzigt,
erstand am dritten Tag nach seinem Tode wieder auf, fuhr in den Himmel auf und
sitz dort zur Rechten von Gottvater, um zu richten die Lebendigen und die Toten.
Und
wenn nun jemand so eine haarsträubende Geschichte als Quatsch bezeichnet, dann
wälzen sich die an religiösen Gefühlen Leidenden tief getroffen am Boden, sehen
gar ihre verfassungsmäßigen Grundrechte auf Religionsfreiheit beeinträchtigt
und rufen - zumindest indirekt - nach Zensur.