In Österreich gibt's eine große Kirche, die benennt sich als "katholisch",
dann gibt es noch ein gutes Dutzend von Klein- bis Ganzkleinkirchen, die im
Umfeld der katholischen Weide mitgrasen dürfen. Weil sich die katholische Kirche
offenbar ziemlich fürchtet, dass das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien
zuviel Zuspruch bekommen könnte, wurden nun auch die Kleinkirchen als Kleinkämpfer
an die Front geschickt. Worüber kathweb am 8.4.2013 berichtete.
Generalsekretär Raimund Fastenbauer von
der Israelitischen Kultusgemeinde ist immer noch betroffen, weil aus
den Kreisen der Ungläubigen voriges Jahr gefordert worden war, es sei zu verbieten,
Babys aus religiösen Gründen zu verstümmeln. Das Beschneidungsverbot kam nicht,
aber "fundamentalistisch-antireligiöse Kreise" würde "gegen die
Stellung von Religion in der Gesellschaft auftreten". Das ist natürlich
ein Problem. Man kann sehr religiös sein, man kann etwas religiös sein, man
kann ein bisschen religiös sein und nur manchmal ein bisschen an einen Gott
glauben, man kann religiös desinteressiert sein, aber man kann nicht nur ein
bisschen Atheist sein. Weil das muss man grundsätzlich sein und nicht nur sabbats
oder sonntags von neun bis halbzehn. "Keine Götter" sind das Gegenteil
- komplett von ein kleines bisschen Gott bis zum Gotteskrieger. Und die Forderung,
Babys keine Vorhaut wegzuschneiden, hat auch keine moderate bloß-nur-ein-bisschen-Vorhaut-wegschneiden-Lösung.
Der
evangelische Oberbischof Michael Bünker hat zwar keine Bedenken
für religionslose SchülerInnen einen zwangsweisen Ethikunterricht zu fordern,
aber Rechte für Religionsfreie zu verlangen und Kirchenprivilegien abzulehnen,
das ist Kulturkampf. Womit er durchaus Recht haben kann, wir kämpfen für eine
vernünftige säkulare Kultur und wehren uns gegen religiöse Bevormundungen in
der Gesellschaft. Aber sowas macht der "europaweit erstarkte aggressive
Atheismus" und den kann man im 21. Jahrhundert blöderweise nur im Iran,
Pakistan, Saudi Arabien u.ä. Ländern verbieten. In Europa müssen Kirchenfunktionäre
damit leben, weil selbst "sehr starke anti-kirchliche Ressentiments"
sind gesetzlich erlaubt. Und Groll gegen Religionen hat anscheinend für Bünker
gar keinen geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund, sondern fiel
plötzlich grundlos auf Europa hernieder.
Die Muslime freuen sich
übers Volksbegehren beinahe schon, denn wie ihr Präsident Fuat Sanac
wissen lässt, sei das eine Chance zur Information, denn "viele wissen gar
nicht, was die Glaubensgemeinschaften für die Gesellschaft tun - denken Sie
an die Spitäler, Schulen oder Hilfsorganisationen". Offensichtlich weiß
das der Herr Sanac auch nicht, weil kirchliche Spitäler werden zur Gänze öffentlich
finanziert, kirchliche Schulen von der öffentlichen Hand und den Eltern, Hilfsorganisationen
wie die Caritas werden zu zwei Prozent kirchlich finanziert, zu 98 % mit öffentlichen
Mitteln plus Nutzerbeiträgen und zum geringen Teil aus privaten Spenden. Arbeitslose
Muslime erhalten ihr Geld auch vom Arbeitsamt und nicht von Allah.
Herrn
Fuat Sanac kann man das irgendwie nachsehen, er kennt ja die österreichischen
Traditionen nicht so genau. Dass allerdings auch der Protestantenchef Bünker
allen Ernstes öffentlich behauptet, im Sozialbereich spare sich der Staat (..)
Kosten, da viele notwendige Aufgaben etwa von Caritas und Diakonie übernommen
werden, das kann er doch wohl nur wider besseres Wissen tun. Er soll einmal
in seiner Buchhaltung nachschauen, wieviel evangelisches Geld in der Diakonie
steckt, da wird er trotz intensiver Suche nicht viel finden! Die "Volkshilfe"
ist eine Vorfeldorganisation der SPÖ, die ähnliches macht wie Caritas und Diakonie.
Seltsamerweise kommt niemand auf die Idee, zu behaupten, die Volkshilfe würde
von der SPÖ aus Parteigeldern finanziert, damit sich der Staat Sozialkosten
spart.
Interessanterweise ist Muslim-Chef Sanac der einzige, der
ein wohlwollendes Wort an die Ungläubigen verliert, er meint, es müsse ein
Weg gefunden werden, die Konfessionslosen so einzubinden, "dass sie sich
in der Gesellschaft wohlfühlen". Sanac ist also immerhin schon soweit wie
vor gut 200 Jahren Kaiser Joseph II. mit seinem Toleranzpatent. Zwar auch nicht
auf der Höhe der Zeit, aber zumindest nächstenliebender als die Christen.
Darum
nicht vergessen:
Hoffentlich
bringt das Volksbegehren halbwegs ein schönes Ergebnis!