Was hat Thomas Nagel nur falsch gemacht? Ist der Mann etwa gefährlich?
Letzteres erscheint eher unwahrscheinlich; Nagel ist Philosophieprofessor an
der New York University, kein Posten, an dem man viel Unheil anrichten kann.
Und doch fallen die guten Leute im Moment über ihn her, als drohe er mit einem
Attentat.
Was ist geschehen? Thomas Nagel hat ein Buch veröffentlicht
- "Geist und Kosmos" -, in dem er nahelegt, dass es im Kosmos eine
innere Logik gebe, die ihn vom Einfachem zum Komplexen vorantreibe: vom
Instinkt zum Intellekt, von der Chemie zum Bewusstsein, vom Anorganischen zum
Organischen. Nagel legt großen Wert darauf, dass er mit dieser inneren Logik
keinesfalls Gott meine. Hilft nichts, der Mann wird trotzdem frontal angegriffen:
"Schlampiges Gedankenkonstrukt eines Denkers, dessen große Tage vorbei
sind", schrieb der Linguist und Psychologe Steven Pinker in einem Tweet.
Und der Philosoph Daniel Dennett meinte, Nagel sei Mitglied einer "reaktionären
Bande" und seine Gedankenspielereien seien zwar nett, aber keinen Pfifferling
wert.
Klar doch, das, was Nagel geschrieben hat, riecht verdächtig nach Teleologie.
Steht bei ihm nicht, das Universum verfolge Zwecke? Und widerspricht er damit
nicht Darwins Evolutionstheorie, der zufolge die Biologie eben gerade keine
Zwecke verfolgt, sondern blind ist? Und ist er in seinem Buch nicht ein bisschen
zu nett zu Vertretern des "Intelligent Design"? (Das sind jene Christen,
die den guten alten kosmoteleologischen Gottesbeweis wiederbelebt haben, obwohl
Immanuel Kant ihn doch schon in seiner "Kritik der reinen Vernunft"
anno 1781 um die Ecke gebracht hat.) (..)
Im dialektischen Materialismus von Karl Marx und Friedrich Engels gibt
es vier Grundregel und drei elementare Entwicklungsgesetze:
Grundregeln:
1.
Das Universum muss als Ganzes angesehen werden.
2. Dieses Ganze besteht aus
untereinander in Beziehung stehenden, voneinander abhängigen und sich in ständiger
Bewegung befindenden Materien (objektiver Zusammenhang).
3. Diese Bewegung
ist aufsteigend, vom Einfachen zum Komplexen fortschreitend und durchläuft
dabei bestimmte Ebenen; jeder Ebene entsprechen bestimmte qualitative Veränderungen.
4.
Die jeweilige Entwicklung einer bestimmten Ebene resultiert nicht aus einem
harmonischen Fortschreiten, sondern entsteht durch den Konflikt und die Aktualisierung
der jeweiligen, den entsprechenden Phänomenen innewohnenden Gegensätzlichkeiten,
den "Grundwidersprüchen".
Entwicklungsgesetze:
1. Das Gesetz
von der Einheit und vom Kampf der Gegensätze (Die Triebkraft der Entwicklung
ist der Widerspruch zwischen dualen Polen, der natürlichen und sozialen Prozessen
grundsätzlich inhärent ist und aus deren Kampf eine neue Lösung hervorgeht.
Analog dazu: These + Antithese = Synthese)
2. Das Gesetz von der Negation
der Negation (Die Entwicklung auf eine höhere Ebene bewahrt die positiven Elemente
der vorhergehenden. Sie negiert in ihrer Weiterentwicklung die vorhergehende
Ebene also nicht als Ganzes.)
3. Das Gesetz vom Umschlagen von einer Quantität
in eine neue Qualität (Nach einer Kumulation quantitativer Veränderungen über
längere Zeit kommt es zu einer sprunghaften qualitativen Veränderung.)
Daraus
ergibt sich im Praktischen genau das, was Thomas Nagl vermeint entdeckt zu haben.
Aber das gibt's schon lange. Zum Beispiel in der DDR war das Bestandteil des
Unterrichts in Staatsbürgerkunde.