Gelebtes Christentum

Aus Solidarität mit der in Russland von Kirche und Staat verfolgten Protestband "Pussy Riot" wurde am 19.8.2012 im Kölner Dom eine Protestaktion gestartet. Fünf vermummte Menschen forderten während eines Pontifikalamtes im Kölner Dom Straffreiheit für die verurteilten Musikerinnen (siehe dazu "Pussy Riot: zwei Jahre Haft" - Info Nr. 1012 ).

Der wahre Geist der christlichen Religion entfaltete sich damals sofort auch in Köln auf die gewohnte Art, handgreiflich und mit Strafanzeigen, wie dieser Videoclip zeigt:


Zwar stehen im heiligen Buch des Christentums Aussagen ihres obersten Gottes Jesus, man sollte seine Feinde lieben.
So heißt es z.B. in Lk 6,27-29, "Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd."

Dabei sind die Protestierer nicht einmal als Feinde aufgetreten, nein sie haben sich wie der barmherzige Samariter um Verfolgte gekümmert! Bei den Lobpreisungen (Mt 5) heißt es "Glücklich sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden." Bei den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit ist der Punkt 5, man solle sich um die Gefangenen kümmern. In Mt 25.36 steht "ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen". Im Vers 40 konkretisiert dann der Jesus: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan".

Ja und dann tut wer was für die verfolgten Schwestern, protestiert, ruft zur Solidarität auf und was passiert sieht man im obigen Video: die Tempelwächter ergreifen die Menschen, die etwas für ihre verfolgten Schwestern tun, und übergeben sie den Bütteln, erstatten Anzeige, die Staatsanwaltschaft leitet ein Verfahren ein. Nun wurde am 16.9.2013 der Hauptangeklagte in Köln verurteilt. Er hatte sich selbst verteidigt, eine lange Anklagerede gegen die katholische Kirche und ihren schändlichen Einfluss gehalten. Es erfolgte ein Freispruch in den Anklagepunkten der Körperverletzung und der Nötigung, aber eine Verurteilung wegen "Störung der Religionsausübung", deswegen gab es eine Geldstrafe von 150 Euro.

Dabei war durch die Aktion ja die Religionsausübung gar nicht gestört worden, wie die obigen Bibelstellen zeigen, war durch den Protest gerade das ausgeübt worden, das der Jesus von seinen Jüngern gefordert hat! Aber die heilige katholische Kirche distanziert sich von solchen Praktiken der Solidarität mit Verfolgten, die im Gefängnis sind. Und ihre wirklichen oder vermeintlichen Feinde hat die heilige katholische Heuchler-und-Pharisäer-Kirche in ihrer gesamten Geschichte noch kein einziges Mal geliebt. Von der russisch-orthodoxen Kirche unterscheidet man sich jedoch: man hat keinen Komplizen wie den allmächtigen Putin zur Hand.

Wir haben wieder einmal einen Fall gelebten wirklichen Christentums. Vergleichsweise vernünftig war der Richter, der dem Angeklagten alle Zeit gab, um seine Ansichten ausführlich vorzutragen und verurteilte ihn zu einer nicht allzu hohen Geldstrafe, die Höchststrafe wären drei Jahre Haft gewesen.