In seinem vielbeachteten Interview
mit den Jesuiten-Zeitschriften erklärt Papst Franziskus, dass das "Fühlen
mit der Kirche" nicht nur heiße, den Anordnungen der Hierarchie zu folgen.
"Wenn der Dialog zwischen Gläubigen, den Bischöfen und dem Papst loyal
ist, dann hat er den Beistand des heiligen Geistes."
Genau in diesem
Sinne haben über 100 kirchliche Organisationen, die über vier Millionen Katholikinnen
und Katholiken in aller Welt vertreten, am 20. September 2013 einen Brief an
Papst Franziskus und seine Berater bei der Kurienreform gerichtet. Darin
bitten sie auch um ein Gespräch, um mit dem Papst über die künftige Leitungsform
der römisch-katholischen Kirche zu sprechen. Der Brief wird am 25. September
2013 in mehreren Städten in aller Welt der Öffentlichkeit vorgestellt.
In
dem Brief fordern die Reformgruppen den Papst und die Kardinäle auf, Priestern,
Ordensleuten und "Laien" eine stärkere Teil habe an den Entscheidungen
in der Kirche zuzugestehen, einschließlich der Auswahl der Bischöfe. Dialog
und die Anerkennung von Gewissensentscheidungen sollen autoritäre Herrschaftsausübung
ersetzen. Die Kirche müsse sich noch mehr für soziale Gerechtigkeit sowohl innerhalb
als auch außerhalb der Kirche einsetzen. Bischöfe, die die durch Kleriker ausgeübte
sexuelle Gewalt verharmlost oder vertuscht haben, sollen aus dem Amt entfernt
werden.
Der von Vertreterinnen und Vertretern der zahlreichen Reformgruppen
aus aller Welt gemeinsam formulierte Brief befasst sich mit der aktuellen Kirchenleitungskrise,
angefangen von der Finanzpolitik im Vatikan und vom sexuellen Missbrauch bis
zu den zerstörerischen Auswirkungen des Klerikalismus und des leitenden zölibatären
Männerbundes.
Zu den mehr als 100 Reformgruppen aus allen Kontinenten
gehören in den USA unter anderem "Call to Action", "American
Catholic Council" und die Vereinigung verheirateter Priester CORPUS. Die
seit 1996 bestehende "Internationale Bewegung Wir sind Kirche", auf
deren Reformpunkten der Brief wesentlich basiert, wird von mehreren Millionen
Katholiken und Katholikinnen in fast 40 Ländern weltweit unterstützt. Die emeritierten
Bischöfe Geoffrey Robinson, Bill Morris und Pat Power, die eine Petition mit
117.000 Unterschriften gegen sexuellen Missbrauch in Australien initiierten,
tragen diesen Brief voll und ganz mit. Papst Franziskus hat den Klerikalismus
kritisiert und das Bischofsamt als Dienstamt, nicht als Herrschaftsamt definiert.
In seinem jüngsten Interview, das weltweit für Aufmerksamkeit sorgt, sagte er:
"Die Kirche ist das Volk Gottes, die Hirten und das Volk zusammen. Die
Kirche ist die Ganzheit des Volkes Gottes." Allerdings sollte der Papst
noch erklären, inwieweit er bereit ist, den "Laien" ein wirkliches
Mitspracherecht und die vollen Bürger- und Bürgerinnen-Rechte in der Kirche
zuzuerkennen.
Der Brief unterstützt die neue Richtung, in die Papst
Franziskus allen bisherigen Zeichen und Aussagen nach die Kirche führen will.
Für die vom Papst angestrebte Kirchenreform halten die Reformgruppen die vollständige
Beteiligung aller getauften Katholikinnen und Katholiken an den kirchlichen
Entscheidungen für grundlegend. Dies ergibt sich unzweideutig aus dem Evangelium,
aus der kirchlichen Tradition und aus der Vision des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Der
Brief fordert auch einen offenen Dialog zwischen allen Gläubigen und richtet
an Papst Franziskus den Appell, Theologen und Theologinnen, die in den letzten
beiden Pontifikaten zensiert wurden, wieder anzukennen sowie die "ungerechte
und ungerechtfertigte" Untersuchung der US-amerikanischen "Leadership
Conference of Women Religious" einzustellen.
"Wir hegen
die Hoffnung, dass Papst Franziskus eine Delegation der katholischen Reformgruppen
im Vatikan empfangen wird", erklärt Rene Reid (USA), eine der Organisatorinnen
des Briefes der weltweiten Reformgruppen "CatholicChurchReform".
"Franziskus sucht die Annäherung. Er will den Dialog. Wir wollen das auch."