Pete Seeger

Als ich mal proamerikanisch war

U. Gellermann am 30. Januar 2014 auf http://www.rationalgalerie.de

"If you miss me at the back of the bus" klang es aus dem tragbaren Plattenspieler, "you can't find me nowhere," sang Pete Seeger und machte klar worum es ging, "Come on over to the front of the bus, I' ll be ridin' right there, I' ll be ridin' right there. . . " Die Farbigen der USA sollten nicht mehr hinten im Bus sitzen müssen, verlangte der aktive Bürgerrechtler Seeger und außerdem, verdammt, sollten sie auch die Swimming-Pools der Reichen benutzen dürfen, statt im Fluss zu schwimmen. So klingt es weiter im Lied. Es war ein feuchter Keller, in dem wir Seeger zuhörten und versuchten seinen Sound zu kopieren: Ein Waschbrett und Mutters Fingerhüte, über alle zehn Finger gestülpt, ersetzten das Schlagzeug, Besenstiel und Teekiste behaupteten ein Bass zu sein, nur das Banjo war nicht selbst gebaut und konkurrierte blechern mit meiner Stimme. Eigentlich wollten wir Skiffle spielen, jene Musik aus den USA, die später in der Rockmusik aufgehen sollte. Aber wir entdeckten auch, dass es Leute wie Woody Guthrie gab und solche wie Peter Seeger, die in ihren Liedern behaupteten, dass dieses große Land das ihre sei und nicht nur das der Reichen. Und die mit der Frage nach den Blumen, von denen keiner weiß wo sie geblieben sind, die Frage zum Sinn der Kriege stellten: "Where have all the soldiers gone? Gone to graveyards, everyone. Oh, when will they ever learn?", hatte Seeger gedichtet und während wir noch so taten als könnten wir eine musikalische Karriere machen, erwischte uns die politische Moderne aus den USA.

Pete Seeger saß in den 50ern ein Jahr im Gefängnis, weil er vor dem "Komitee für unamerikanische Umtriebe", der US-Geistes-Gestapo, die Aussage verweigerte: Die Frage nach seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der USA, die Frage ob er denn Kommunisten kenne und Namen nennen könne. Seit jener Zeit weiß ich, dass ich pro-amerikanischer Umtriebe verdächtig bin, der Umtriebe von Martin Luther King, Occupy Wallstreet und Edward Snowden, um nur eine Handvoll von denen zu nennen, die mir bis heute nahe stehen und deren erster in der Reihe Pete Seeger war. Rund 17 Jahre wurde der große Folkmusiker von den US-Medien boykottiert und doch erreichten seine Lieder uns, die wir während des Drecks-Kriegs der USA gegen Vietnam nicht nur "Ledernacken - Koffer - packen" skandierten sondern eben auch "We shall overcome" sangen, jenen Choral der Antikriegsbewegung, der es mit Joan Baez und Bruce Springsteen bis in die Hitparaden brachte. - Pete Seeger, der war mit uns verbündet, der symbolisierte jenes Amerika das wir uns wünschten.

Von Bob Dylan bis Bruce Springsteen: Vielen war Pete Seeger ein Vorbild, kaum jemand lebte so konsequent ein Leben auf der Seite der Unterdrückten, der Marginalisierten. Die politische Auseinandersetzung im West-Deutschland der Berufsverbote und des NATO-Doppelbeschlusses ließ das Singen in den Hintergrund treten. Und nach der hundertsten Wiederholung von "We shall overcome" schien das Lied verbraucht, nur noch ein bedingter Reflex, so angestaubt wie die Ostermarsch-Demonstrationen, und doch bleibt "Deep in my heart, I do believe, We shall live in peace some day." Pete Seeger ist gestorben. Wir werden seine Arbeit ohne ihn fortführen müssen.


Soweit der Nachruf von Gellermann auf den am 27.1.2014 im 95. Lebensjahr verstorbenen Pete Seeger. Ergänzend sei angemerkt, dass das ursprüngliche Urteil gegen Pete Seeger auf zehn Jahre gelautet hatte, was in Berufungsverhandlungen behoben wurde.

Hier einige Clips von Pete Seeger:
Sein bekanntester Song war und ist die Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung, "We shall overcome". Der Song geht auf ein altes Kirchenlied zurück und wurde mehrfach bearbeitet, Pete Seeger verfasste den endgültigen Text dazu:


In der Zeit des Vietnamkrieges war Seeger ein US-Amerikaner, der die Proteste dagegen am Laufen hielt. Hier einer der frühesten TV-Auftritte, einer der ersten Boykott-Brecher, 1970 in einer Johnny-Cash-Show mit "Bring 'em home" (die in Vietnam stationierten Soldaten):


Im Song "Last train to Nuremberg" forderte er Kriegsverbrecherprozesse auch gegen die US-Verantwortlichen des Vietnamkrieges:


Seine späte offizielle Rehabilitierung erhielt Pete Seeger im Jänner 2009: er trat gemeinsam mit Bruce Springsteen bei der Inaugurationsfeier von Präsident Obama auf und sang dort fast schon 90-jährig den alten Woody-Guthrie-Song aus der gemeinsamen Zeit bei den Almanac Singers, "This land is your land", einen Gewerkschaftssong, der verkündete, die USA seien das Land der dort arbeitenden Menschen:


Zum Abschluss Pete Seeger mit den "Moorsoldaten", dem bekannten KZ-Lied aus Deutschland:


Wir danken Pete Seeger für seine Lieder, für sein Engagement, er ist einer derjenigen, die eingeschreint bleiben in die Herzen der Unterdrückten und Ausgebeuteten.