Der Landtag von Baden-Württemberg hat eine Petition des Sprechers der
Humanistischen Alternative Bodensee (HABO), Dennis Riehle, auf Streichung religiöser
Bezüge in der Landesverfassung abgelehnt. Riehle hatte in seiner Eingabe
unter anderem gefordert, die Ausrichtung des Textes in der Präambel, im Kapitel
über Erziehungs- und Bildungsfragen sowie in den Ausführungen über die gesellschaftlichen
Normen der Sitten auf weltanschauliche Neutralität zu überprüfen und entsprechende
Formulierungen zum Gottesglauben und dem Alleinstellungsmerkmal der christlichen
Lehre aus der Verfassung für Baden-Württemberg zu streichen.
Der Landtag
wies die Eingabe unter dem Hinweis auf die breite Auslegungsmöglichkeit der
Landesverfassung ab. Er beruft sich dabei auf den Kommentar zur baden-württembergischen
Verfassung von Klaus Braun, der zu Artikel 1 Absatz 1 beispielsweise erläutert,
wonach die dort erwähnte "Erfüllung des christlichen Sittengesetzes"
einer "einschränkenden" Interpretation bedürfe. In Artikel 2 Absatz
1 werde unmittelbarer Bezug auf die im Grundgesetz formulierte "Religionsfreiheit"
(Artikel 4 Absatz 1 und 2 sowie Art.3 Absatz 3) genommen. Demnach müsse der
Staat grundsätzlich "religiös und weltanschaulich neutral" sein und
"in gleicher Weise die Entfaltung anderer religiöser, weltanschaulicher
und philosophischer Einzelnormen oder Normeinheiten achten".
Jedoch
dürfe der Staat das "christliche Kultur- und Bildungsgut, das sich in einer
historischen Tradition legitimiert, als solches anerkennen, sofern damit keinerlei
Absolutheitsforderung, sondern die Toleranz jeglicher Alternativen verbunden
ist". Gleiches gelte auch für die Frage nach Bildung und Erziehung, die
gemäß Landesverfassung "unter anderem in Ehrfurcht vor Gott und im Geiste
der christlichen Nächstenliebe" zu betreiben ist. Laut Kommentar sei es
"unzulässig, christliche Glaubensinhalte außerhalb des Religionsunterrichts
als verbindlich darzustellen". Detailliert heißt es zudem beispielsweise:
"Es bedarf vielmehr der Mitberücksichtigung anderer religiöser und weltanschaulicher
Einstellungen. Auch eine atheistische Überzeugung ist von der Religionsfreiheit
geschützt". Zusammenfassend bleibe "das Erziehungsziel damit offen
gegenüber anderen Weltanschauungen".
Wie der Landtag auf dieser
Grundlage beschloss, sei entsprechend kein Handlungsbedarf angezeigt. Dies
kommentiert Riehle selbst wie folgt: "Offenbar hat der Landtag von Baden-Württemberg
meine Eingabe mehr oder weniger bewusst nicht richtig verstanden oder wollte
das eigentliche Anliegen überhaupt nicht berücksichtigen. Denn es ist durchaus
als diskriminierend anzusehen, wenn andere Weltanschauungen als die des Christentums
lediglich über die Interpretation im ergänzenden Kommentar ihre Berechtigung
erhalten. Wieso wird der christliche Gottesglaube in der Landesverfassung
explizit erwähnt, während andere Überzeugungen nur über eine äußerst komplizierte
Auslegung indirekt in ihrer Freiheit bestätigt werden? Diese Frage hat der Landtag
auch durch seine ausweichende Argumentation mithilfe der Erläuterungen von Braun
nicht beantwortet. Damit wurde der letztendliche Kerngedanke der Petition ignoriert".
Zu
seiner weiter aufrecht erhaltenen Forderungen führt der Sprecher der HABO zudem
aus: "Das Anliegen ist klar: Ganz oder gar nicht! Entweder die ausdrückliche
Erwähnung aller Religionen und Weltanschauungen in der Landesverfassung -oder
ein Streichen der christlichen und Gottesbezüge! Es mag kleinlich sein,
aber die unterschiedliche Handhabung im Umgang mit Christentum und allen Andersdenkenden
ist nicht hinnehmbar, weil sie suggeriert, eine bestimmte Religion werde besonders
wertgeschätzt. Da hilft auch kein Verweis auf das Grundgesetz -Atheisten, Humanisten,
Muslime, Juden oder Buddhisten müssen dort erwähnt werden, wo auch die Christen
auftauchen. Am sinnvollsten wäre allerdings, die Religionsfreiheit ihrem Namen
nach zu verankern -nämlich ohne jeden religiösen Bezug. Gott gehört nicht in
eine staatliche Verfassung. Sie ist auch kein Geschichtsbuch, das die Verdienste
einer speziellen Bewegung oder ihre Tradition zu würdigen hat. Sie hat allein
den Anspruch auf Lebendigkeit und Veränderung. Dieser Anforderung kann sie durch
möglichst wenige ‚Einzelnormen‘, wie Braun sie definiert, am ehesten gerecht
werden".
Dennis Riehle, Sprecher
Humanistische Alternative Bodensee -
Säkular-humanistischer
Zusammenschluss