Autor: U. Gellermann am 20. März 2014 auf www.rationalgalerie
Wer in diesen Tagen deutsche Medien konsumiert, der kann den Beschwörungen
nicht entgehen, er solle doch den Russen verteufeln, die westlichen Reihen fester
schließen und einem deutschen Sonderweg, einer relativen Selbstständigkeit
aber sofort entsagen. Hatte man bis jüngst noch gedacht, eine brave
NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik und ein andauerndes EU-Mantra würde
der deutschen Formierung genügen, erlebt man jetzt den dritten Grad der
Gehirnwäsche. Was mag los sein? Will sich Bayern abspalten? Will die dänische
Minderheit heim in dänische Reich? Liebäugeln die Sorben mit dem Anschluss
der Oberlausitz an die Slowakei? Wie auch immer, in dieser schweren Lage gibt
die RATIONALGALERIE mit ihrem "Obama-Putin-Fakten-Check" außenpolitische
Entscheidungshilfe.
Wer die vielen Bilder von Putins nacktem Oberkörper
kennt, dem kann eine gewisse sexuelle Färbung im Putin-Marketing nicht
entgangen sein. Diese zur Schau gestellte Männlichkeit - auch in den Klischees
vom Reiter-, Fechter-, Judoka- und Jäger-Putin erkennbar - zielt auf den
Mann im Mann, auf das archaische Überleben des Stärkeren. In einer
abgesofteten Gesellschaft wie der deutschen, in der die blutigsten Kämpfe
auf dem Sektor des Gender-Mainstreamings ausgetragen werden, kann dieser Pin
Up-Boy kaum Punkte sammeln. Zudem muss man vermuten, dass sich hinter der plakativen
Männlichkeit ein kleiner, verängstigter Junge verbirgt, der die Muskeln
nur zum Selbstschutz und zur Selbsttäuschung aufpumpt.
Wer nach
Obamas sexuellen Reizen fragt, landet automatisch bei seiner Frau. Genauer:
Wenn in den USA nur Männer wählen dürften, wäre Michelle
längst Präsidentin. Obamas Marketing-Trick besteht darin, in der Reiz-Frage
ein wenig hinter seiner Frau zurückzutreten und sich zugleich mit dieser
Trophäe zu schmücken. Vor ein paar Tagen, zur besten Sendezeit und
mitten in der Ukraine-Krise, zeigt eine der öffentlichen TV-Anstalten den
US-Präsidenten beim Einkaufen für seine Familie in einem Laden der
Textilkette GAP, und was erklärt er den beglückten Verkäuferinnen?
"Es schadet nie, etwas mitzubringen, wenn man unterwegs war", sagte
er zu den Mitarbeiterinnen und schaulustigen Kunden wie auch den Journalisten.
"Damit punktest du, wenn du nach Hause kommst." Tja Putin, so geht
das. Nicht mit dem Säbel rasseln, sondern der Rasselbande was mitbringen.
Dabei
wäre es so einfach: In der Moskauer Altstadt, im Arbat, gibt es am "Ploshchad
Kiyevskogo Vokzala", also ausgerechnet am Kiewer (!) Bahnhof, auch einen
GAP-Store. Da hätte doch, ganz zufällig - wie Obama von Kameras begleitet
- Wladimir Putin mal einkaufen können und anschließend, im Burger
King am selben Platz, mit einem "Big King" in der Hand eine nette
Bemerkung über die amerikanische Kultur machen können. Aber wem sollte
er schon aus dem GAP-Store etwas mitbringen? Seit seiner Scheidung, weiß
die FAZ, "ist er nur noch mit Russland verheiratet." Wer mag schon
solche Streber: Tag und Nacht den russischen Laden in Ordnung halten, das ist
doch unmenschlich. So macht man keine Punkte. So weit zur Software. Aber wie
sieht es mit der Hardware aus?
Die USA verfügen über rund
1.000 Militärstützpunkte in der ganzen Welt: Von Deutschland über
Albanien bis ins ferne Neuseeland, allein zehn Stützpunkte finden sich
in Lateinamerika, in jener Gegend, die von den USA als ihr Hinterhof begriffen
wird. Ob die amerikanische Militärpräsenz in postsowjetischen Ländern
wie Georgien, Usbekistan oder Kirgisien vom Pentagon als das Besetzen von Vorgärten
angesehen wird, ist unbekannt. Bekannt ist, dass die Welt vom "Unified
Combatant Command", dem Vereinigtem Kampfkommando der USA in "Areas
of Responsibilities", in US-Verantwortlichkeitsgebiete eingeteilt wurde.
Wie "die Welt" das findet, wurde bisher nicht erfragt.
Russland
ist Herr über kümmerliche 24 russische Militärstützpunkte
in neun ehemaligen Sowjetrepubliken und einem weiteren in Syrien. Angesichts
der vielen dämonischen Putin-Fotos in den deutschen Medien stellt sich
die Frage, was die Russen denn mit ihrem Militär überhaupt anstellen.
In der postsowjetischen Ära, also in den letzten 22 Jahren, ist die russische
Armee nicht über vier Kampfeinsätze hinaus gekommen. Der im Westen
populärste war jener im Oktober 1993 als der Säufer Jelzin das russische
Parlament beschießen ließ, weil das nicht so wollte wie er. Rund
200 Tote waren eine der Folgen. Dann gab es noch zwei blutige Kriege in Tschetschenien,
die von den Russen als "Kampf gegen den Terror" ausgegeben wurden,
das konnte aber schon deshalb nicht stimmen, weil dieser Begriff den USA gehört.
Und der Kampf um Süd-Ossetien lief unter dem geklauten Etikett von "Freiheit
und Selbstbestimmung". Auch diese Stereotypen sind Eigentum der USA.
In
den letzten 22 Jahren waren die Streitkräfte der USA zehn mal unterwegs:
Auf sogenannten Missionen, mit selbsterteilten Mandaten oder im Einsatz.
Nur der Irak-Krieg erhielt das wahre Kriegs-Prädikat. Mal war es ein sehr
dringend notwendiger Kampf gegen den Terror, dann wieder eine humanitäre
Mission oder ein Einsatz für die Freiheit, wie zuletzt in Libyen. Die vom
Westen hochgelobten libyschen "Rebellen" müssen da was missverstanden
haben, jüngst nahmen sie sich die Freiheit, einen schönen großen
Öltanker zu entführen. Da haben die Marines vom Lenkwaffen-Zerstörer
"USS Roosevelt" den Idioten mal schnell das Ende der Freiheitsfahnenstange
gezeigt. Überhaupt scheinen die Freiheiten in Ländern wie dem Irak,
Afghanistan oder Libyen eher zur Zerstörung staatlicher Strukturen zu führen,
als zu jener Demokratie, die vor und während der US-Kriege so oft besungen
wird.
Gegen Putin spricht auch eindeutig seine Herkunft aus dem düsteren
KGB, dem sowjetischen Geheimdienst, einem Lieblings-Sujet der deutschen Medien.
Anders als dem farbigen, lockeren Obama ist dem käseweißen Putin
alles eklig Geheimdienstliche zuzutrauen. Und ist da nicht der ganz geheime
"Sluschba wneschnei raswedki" (SWR, Dienst der Außenaufklärung),
der mit seinen 13.000 Mitarbeitern solche Sachen macht wie "Elite-Agenten
mit falschen Namen und konstruierten Biografien zu koordinieren, die in verschiedenen
wichtigen Ländern platziert werden." So was Altmodisches würde
den 40.000 Kollegen von der NSA nie einfallen: Die machen ihren Job vom Rechner
aus. Das ist modern und schick: Mit dem US-i-Phone in das Merkel-Phone, das
ist der Trend. So wird der SWR abgehängt.
Vergleicht man das jeweilige
Bedrohungs-Potential der beiden Mächte, vergleicht man ihre Kriegs-Fähigkeit
und -Bereitschaft, könnte man auf die Idee kommen, eine Politik der Äquidistanz,
des gleichem Abstands zu den beiden Mächten würde den Deutschen jenen
Spielraum verschaffen, wie er zuletzt im NEIN Gerhard Schröders zum Irak-Krieg
kurz aufblitzte.
Eine solche Überlegung ist der deutschen Außenpolitik
und den angeschlossenen Medien fremd. Man geht lieber mit Obama shoppen
als mit Putin zu reden. Als 1887 Otto von Bismarck einen "Rückversicherungsvertrag"
zwischen dem Deutschen Reich und dem Russischen Reich abschloss, war das kein
Akt der Liebe. Es war der temporär gelungene diplomatische Versuch, einen
Krieg in Europa zu verhindern. Erst der sturzdumme Kaiser Wilhelm II. verweigerte
der Vertragsverlängerung seine Unterschrift. - Im Auswärtigen Amt
kennt man vielleicht noch den Namen Bismarck. Eine eigenständige Außenpolitik
ist eher unbekannt.