Die gleichzeitige Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes XXIII.
und Johannes Paul II. am 27. April 2014 ist als Versuch von Papst Franziskus
zu würdigen, zwei sehr unterschiedliche Flügel innerhalb der römisch-katholischen
Kirche miteinander zu versöhnen. Doch darf die Heiligsprechung von Papst
Johannes Paul II. nicht die kritische Auseinandersetzung mit ihm verhindern.
Dies fordern kirchliche Reformgruppen aus der Schweiz, aus Österreich und
aus Deutschland in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Während
das Kirchenvolk Johannes XXIII. längst als Heiligen verehrt, der durch
die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils der römisch-katholische
Kirche den Weg in die Moderne bereitet hat, wird das Wirken von Johannes Paul
II. auch nach seiner Heiligsprechung umstritten bleiben. Deshalb begrüßen
kirchliche Reformgruppen die kritische Auseinandersetzung mit diesem Papst und
seinem Verständnis vom Papstamt, die der polnische Religionsphilosoph Zbigniew
Kaźmierczak jetzt vorgelegt hat.
Ohne Zweifel hat Johannes Paul II.
in seinem lange dauernden Pontifikat vieles getan, das hohe Achtung verdient.
Doch liegt die Tragik von Johannes Paul II. in der großen Diskrepanz zwischen
seinem Einsatz für Reformen und für Dialog in der Welt und dem unter
seiner Verantwortung vollzogenen innerkirchlichen Rückfall in zentralistische
und autoritative Strukturen.
Johannes Paul II. war ein charismatischer
Kommunikator des Christentums, predigte eindrücklich gegen das Elend der
Welt, suchte das Gespräch mit den großen Religionen und setzte sich
ein für die Menschenrechte. Nicht zu übersehen ist aber, dass er â€"
und der unter seiner Verantwortung handelnde damalige Glaubenspräfekt Kardinal
Joseph Ratzinger â€" eben diese Menschenrechte engagierten Bischöfen und
Nonnen, Theologinnen und Wissenschaftlern verweigerten. Mit autoritärem
Dogmatismus haben beide Christinnen und Christen anderer Kirchen sowie mündige
Katholikinnen und Katholiken, besonders aber Frauen und Reformbewegungen vor
den Kopf gestoßen, Gräben aufgerissen und eine gehörige Hoffnungskrise
verursacht. Mit seiner Inflation von Heiligsprechungen, seinem rückwärtsgewandt-zentralistischen
Kirchenbild, seinem unbiblischen Personenkult, Pomp und Klerikalismus wurde
Johannes Paul II. deshalb zum widersprüchlichsten Papst des 20. Jahrhunderts.