U. Gellermann am 30. April 2014 auf www.rationalgalerie.de
Der schwere politische Unfall Volker Kauder (Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion),
zweimal hintereinander bereits "Bierbotschafter des Jahres", steuerte
jüngst einen "Rückfall in die politische Steinzeit" zur
angeheizten Atmosphäre des Ukraine-Konflikts bei. Natürlich meinte
Kauder nicht den aktuellen Aufmarsch zum Gedenken an die brave, ukrainische
"SS-Division Galizien" in Lemberg (Lwiw), die so tapfer an der Seite
deutscher Truppen am Abschlachten von Juden und Polen beteiligt war. Auch
die Minister der faschistischen Svoboda-Partei in der ukrainischen Putsch-Regierung
waren ihm nicht steinzeitfällig. Seine Erregung galt vielmehr den von ukrainischen
Oppositionellen gefangen genommenen Militärs, die als OSZE-Missionäre
erst durch die Ukraine, dann durch die deutschen Medien geisterten. Mit dieser
selektiven Wahrnehmung passte Kauder sich wunderbar der veröffentlichten
deutschen Mehrheits-Meinung an.
Bis heute haben die deutschen Medien
eine nur schwer heilbare Neigung, die festgenommen NATO-Offiziere, unter ihnen
vier Deutsche, als Teil der offiziellen OSZE-Beobachter-Mission zu verkaufen.
In Wahrheit sind die in Zivil reisenden Militärs nicht im OSZE-Auftrag
unterwegs. Vorgeblich wollten sich die NATO-Berufssoldaten unter Führung
der Bundeswehr, so der Chef der Gruppe Oberst Axel Schneider, "ein Bild
davon machen", "in welchem Zustand" die bewaffneten Verbände
der Ukraine seien "und was sie leisten können, ob sie offensiv oder
defensiv ausgerichtet sind". Das ist schön. Mitten in einem beginnenden
Bürgerkrieg stolperte eine NATO-Observationsgruppe durch die Ukriane, um
sich den Zustand der Landes-Armee anzusehen. Und ganz zufällig landen sie
im ostukrainischen Slawjansk, in dem zwar keine Regierungstruppen stationiert
sind, aber Anti-Euro-Maidan-Kräfte Gebäude besetzt halten. Ebenso
zufällig findet der NATO-Bummel kurz nach einem Einsatz der Kiewer "Anti-Terror-Kräfte"
gegen die Slawjankser Besetzter statt. Wo Anti-Terroristen unterwegs sind, müssen
Terroristen sein, so lautet die offizielle Sprachreglung. Zwar galten die Aufständischen
in Kiew als mutige Oppositionelle, aber Aufständische in der Ost-Ukraine,
das weiß die ARD-Reporterin wie im Schlaf, sind nun mal Terroristen.
Eine
ganz andere Terroristen-Furcht scheint die ukrainischen Juden zu quälen.
Denn die israelische Einwanderungsagentur Jewish Agency und das israelische
Ministerium für die Aufnahme von Einwanderern teilten mit, dass die Anzahl
der jüdischen Emigranten aus der Ukraine in den letzten drei Monaten rasant
gestiegen sei. Schon im Juli des letzten Jahres unterzeichneten 30 israelische
Knesset-Abgeordnete einen offenen Brief, an den EU-Parlamentspräsidenten
Martin Schulz: Sie warnten vor der Svoboda-Partei - damals noch in der Opposition,
heute in der Putsch-Regierung - die sei extrem antisemitisch. Sogar die Konrad
Adenauer-Stiftung, die ihren Schützling Klitschkow später im Pakt
mit der Svoboda gut aufgehoben sah, mochte früher noch feststellen, dass
der Svoboda-Chef antisemitische Ressentiments, Fremdenfeindlichkeit und ukrainischen
Isolationismus mobilisiere. Das gilt natürlich heute alles nicht mehr.
Was stören uns ein paar ängstliche Juden, scheint der Mainstream zu
denken, in dem das alles unbeachtet bleibt, wenn es um den fetten Happen Ukraine
und um einen möglichen neuen Russlandfeldzug geht. Wer sich erinnern mag,
dass es im Jahr 2000 EU-Sanktionen gegen Österreich gab als dort eine Koalitionsregierung
mit dem Rechts-Nationalisten Jörg Haider installiert wurde, der kommt aus
dem Augenreiben gar nicht mehr raus.
Noch scheint die Begünstigung
einer Putsch-Regierung in Kiew nur aus dem radikalsten Propaganda-Feldzug seit
den 60er Jahren und ein paar wirtschaftlichen Sanktionen zu bestehen. Doch wer
die Zeichen einer von den USA gesteuerten Einkreisung Russlands deuten kann,
dem wird Angst und Bange: Für Juni plant die NATO eine neue groß
angelegte Marineübung in der Ostsee. Das teilte Pentagon-Sprecher John
Kirby am Dienstag mit, ohne dass vom NATO-Mitglied Deutschland ein Einspruch
gegen diese antirussische Aktion zu hören gewesen wäre. Das rumänische
Militär wird unweit der Grenze zur Ukraine aufgestockt. Wie das Verteidigungsministerium
des Landes mitteilt, wird eine Militärübung geplant, an der auch US-Militärs
teilnehmen werden. Und in Georgien werden Freiwillige zur Teilnahme am Militäreinsatz
gegen die Anhänger der Föderalisierung in der Ost-Ukraine geworben.
Das Gerücht, Volker Kauders Sympathien für die korrupten ukrainischen
Eliten hinge damit zusammen, dass er den Vorschlag eines Gesetzes gegen die
Korruption bei Bundestags-Abgeordneten abgelehnt hat, ist eher verharmlosend.
Kauder gehört zu jener Mehrheit im Bundestag, dem die devote Nähe
zu den USA allemal lieber ist als eine gewisse Unabhängigkeit deutscher
Außenpolitik, die allerdings Verstand voraussetzt und Mut.