In ein paar Tagen ist der Sänger in Kiew: Wolf Biermann, der gern
auf CSU Parteitagen auftritt und heftig den Irak-Krieg begrüßte,
hatte dem Boxer und Präsidentschaftskandidaten Klitschko einen Sympathisantenbrief
geschrieben. Den verliest er nun an der Velyka-Zhytomyrska-Straße
in Kiew bei einer Veranstaltung europäischer Intellektueller. Das ist schön,
wenn ein CSU-Anhänger einem Zögling der Konrad-Adenauer-Stiftung seine
Unterstützung versichert. Vor allem aber ist es symbolisch für die
deutsche Ukraine-Politk: Man redet mit sich selbst. Die Merkel mit ihrer alten
Freundin Julia Tymoschenko, Außenminister Steinmeier mit seinem neuen
Freund, dem Präsident Alexander Turtschynow, der im Bündnis mit der
Swoboda-Nazipartei übergänglich das Land regiert und die Swoboda wiederum
redet mit Vorliebe mit der NPD. So geht deutsche Demokratie in der Ukraine.
Jetzt
dreht Demokratie-Deutschland total auf: Nachdem Wladimir Putin, der neue
Feind deutscher Polit-Bürokratie und der ihr angeschlossenen Medien vor
Tagen vorgeschlagen hat einen "Runden Tisch" mit allen Beteiligten
einzurichten, findet der Außen-Steinmeier das auch nicht schlecht. Sagt
er. Was er immer noch nicht ausspricht, obwohl er es wissen könnte, ist
die Notwendigkeit einer Föderalisierung der Ukraine. Spätestens nach
den Volksabstimmungen ist deutlich, dass die Menschen im Osten der Ukraine keine
Lust mehr auf einen zentralisierten Staat haben. Und weil die Mehrheitsdeutschen
offenkundig nur Freunde im Westen der Ukraine haben, wissen sie alle ganz genau,
dass die Volksabstimmung nicht rechtens war. Natürlich war das keine Volksabstimmung
nach allen Regeln juristischer Kunst. Aber wer die Bilder gesehen hat, wie
Alte und Junge, Kind und Kegel, Väter und Mütter sich an die Wahlurnen
gedrängelt haben, der weiß genau: Das war ein Stimmungsbild.
Die
Süd-Ost-Ukrainer haben die Schnauze voll von einer Regierung, die US-Söldner
der berüchtigten Blackwater-Academi-Mörder zur Bekämpfung von
Demonstranten und Besetzern ins Land geholt hat. Von einem Übergangsregime,
das Nazis und die zum Verwechseln ähnliche Nationalgarde denen auf den
Hals hetzt, die sich ohnehin schon stranguliert fühlen. Von einem Regime,
dass den erklärten Volkswillen mit "Anti-Terror-Truppen" bekämpft.
Von der korrupten Timoschenko-Gruppe, die den Kern der vorgeblichen Regierung
bildet und sich in der Vergangenheit die Taschen gefüllt hat und erneut
gern die Lizenz zum Klauen hätte, um nach einer wie auch immer zusammengebastelten
Präsidentschaftswahl der NATO beizutreten. Wer also in der Ukraine Frieden
wollte, wer den Bürgerkrieg vermeiden und den Grenzkrieg stoppen wollte,
der müsste mit den Leuten in der Süd-Ost-Ukraine reden. Vor den Präsidenten-Wahlen
und über eine Föderalisierung, wie sie zum Beispiel die Katalanen
in Spanien und die Schotten in Großbritannien durchgesetzt haben. Da sei
das Duo Infernale, die gewaltige Merkel und ihr Steinmeier-Dackel vor: Gemeinsam
mit der Kiewer Sonder-Regierung schließen sie die Leute aus dem Osten
aus.
"Gewalt zur Lösung der eigenen Probleme darf nicht
angewendet werden", plappert die Kanzlerin in eine bleiverseuchte Luft
und fordert einen Gewaltverzicht als Voraussetzung zur Teilnahme am Runden Tisch.
Dass dann die Vertreter der Euro-Maidan-Regierung keinesfalls teilnehmen dürften,
will ihr nicht auffallen. Wenn also die deutsche Regierung am Kiewer runden
Tisch präsent ist, legitimiert sie ein Treffen, das den weiteren Krieg
gegen die eigene Bevölkerung als Voraussetzung für eine Präsidentschaftswahl
begreift. Deshalb ist es auch höchst interessant, wen die Deutschen an
den Tisch schicken: Wolfgang Ischinger, den Chef der "Münchner Sicherheits-Konferenz",
eine Konferenz, die alljährlich der NATO ein prima Propaganda-Forum gibt
und unter anderem von der Rüstungsschmiede "Krauss- Maffei" finanziert
wird. Ob Ischinger ein paar Panzer zur Aufstandsbekämpfung im Gepäck
hat, weiß man nicht. Unbekannt ist auch, ob der "Außenminister
des Allianzkonzerns" (dort erhält der Ex-Diplomat ein nettes Zubrot
als Lobbyist) der Kiewer Übergangserscheinung eine Lebensversicherung aufschwätzen
will oder eine kleine Spende mitbringt. Immerhin gehört die Allianz SE
zu den großen Parteispendern in Deutschland und hat seit 2000 bereits
mehr als 2,7 Millionen Euro an die Bundestagsparteien, mit Ausnahme der Partei
Die Linke, gespendet.
Während Merkel und Steinmeier ihre Kiewer
Friedens-Inszenierung dirigieren, machen die deutschen Medien das, was sie im
Ukraine-Konflikt am liebsten tun: Tatsachen verschweigen wenn sie nicht in ihre
ideologischen Raster passen. So gilt das Massaker in Odessa immer noch als
eine Art ungeklärter Unfall. So wurden die jüngsten blutigen Kämpfe
in Mariupol in den Heute-Nachrichten als "Szenario, das Putin will"
umgelogen. Um vom gewalttätigen Marsch des "Rechten Sektors"
von Mariupol nach Lugansk zu erfahren, musste man die Kiewer (!) Onlinezeitung
"Politnavigator" lesen. Und wenn 2.000 Vertreter der Zivilgesellschaft
am 9. Mai in Kiew (!) gegen das Timoschenko-Klitschko-Swoboda-Provisorium demonstrieren,
dann ist das so schrecklich, dass die deutschen Mehrheitsmedien einer schweren
Stimmband-Lähmung verfallen. Denn so ein Fall ist in der Sprachreglung
einfach nicht vorgesehen.
In einer von Biermanns besseren Balladen -
im "Lied von den bleibenden Werten" - ist die Rede von den "großen
Lügnern" und der Frage was von denen bleiben wird: "Von denen
wird bleiben, dass wir sie endlich durchschaut haben". Das ist den Deutschen,
bei Betrachtung ihrer Medien, dringend zu wünschen. Biermann allerdings
beschränkt sich eher auf ein `Ring frei zur nächsten Runde´:
"In diesen Tagen", schreibt er an Klitschko, "tobt der Freiheitskrieg
in der Ukraine. - Wir Deutschen erleben diesen Kampf nur am Fernsehapparat,
so wie sonst Ihre Boxkämpfe." Die Frage nach der Freiheit für
wen und für was stellt er dem CDU-Freund lieber nicht. Denn der könnte
- wenn er ehrlich wäre - wahrheitsgemäß antworten.