Der Wirtschaftsprofessor und -Nobelpreisträger Paul
Krugman arbeitet sich seit langem an den US-amerikanischen Republikanern,
Neoliberalen und sonstigen Konservativen ab.
Am 6.7. schreibt er in der New York
Times Beliefs,
Facts and Money – Conservative Delusions About Inflation (Glaube und Fakten
über Geld – konservative Irrtümer über Inflation, Bild: geralt, pixabay). Der
Inhalt wird hier inhaltsgemäß wiedergegeben:
Krugman beginnt mit dem Bezug auf einen Artikel der NYT, in dem es um die
Aufspaltung der Meinungen zu Themen wie Erderwärmung und Evolution geht.
Normalerweise schreibt man die Haltung der Erwärmungs- und Evolutionskritiker
der Ignoranz zu, aber die Spaltung der Meinungen hängt nicht nur davon ab, so
der Artikel. Die Besserinformierten seien aus einem anderen Grund in zwei
verschiedene Lager gespalten.
Das Problem sei nämlich nicht nur die Ignoranz, es sei das Wunschdenken.
Angesichts eines Widerspruchs zwischen der Realität und dem, was sie glauben
möchten, kehren sich viele Leute von der evidenten Wahrheit ab. Das kann aus
politischen, ideologischen oder religiösen Gründen so sein. Das Schlimme ist, je
mehr sie über die Dinge wissen, desto tiefer wird die Spaltung. Die
Gutinformierten wissen eben besser, welche Wahrheiten sie ablehnen müssen, um
ihren Aberglauben zu bewahren.
Diese Gedanken inspirierten Krugman zu entsprechenden Überlegungen im Bereich
der Ökonomie, speziell in Fragen des Geldes. Als weiteren Hintergrund nennt er
das Geschehen um den Bankencrash von 2008. Bevor der losging, hatten viele der
maßgeblichen Leute ökonomische Ansichten, die den Glauben an den freien Markt
weit über jeden Eingriff der Regierung stellten. Es gab auch Warner vor der
(Immobilien)blase ("bubbleheads"), nur wollte niemand glauben, dass die mit
ihren Warnungen vor der Deregulierung recht hatten. (Krugman schreibt die
Instabilität den unregulierten Märkten zu, nicht aber der amerikanischen Politik
des Häuslebauens um jeden Preis und auch nicht dem offenkundigen Betrug der
Verbriefungen von dreiviertelfaulen ("subprime") Immo-Hypotheken zu Papieren mit
den besten Rating AAA, also AAA-subprimes.)
Die Schuldfrage stellt sich auch nur nebenbei, interessant ist die Reaktion
nach dem Prinzip Wunschdenken: Die neoliberalen
Marktgläubigen einigten sich schnell darauf, dass der Bankencrash irgendwie der
Fehler der Liberalen ohne "neo" war, und dass die Staatswirtschaft nicht durch
die Krise bedroht wäre, nein, sondern von den Hilfsmaßnahmen der Politiker.
(Anmerkung: das bezieht sich nicht aufs Euroland.)
So sind auch die Warnungen vor der Geldschwemme zu erklären (the evils of
“printing money”). Krugman zitiert dafür Artikel vom The Wall Street Journal und
einen offenen Brief der Koryphäen an den Fed-Chef
Bernake, seine Niedrigzinspolitik würde den Geldwert erodieren und die Inflation
treiben.
In der Wirklichkeit sah es aber anders aus. Obwohl die Fed ihre Politik der
Geldschwemme bis zur Marke von 4 Billionen Dollar (mithin dem Fünffachen seit
Krisenbeginn) fortsetzte, blieben die Inflationsraten niedrig. Das Fed-Geld kam
nicht in den allgemeinen Märkten an, wo es Teuerung hätte verursachen können. Es
landete auf den Konten von Banken und reichen Privatleuten, genau wie es die
unabhängigen Ökonomen vorausgesagt hatten. (Hier fehlt eine Erklärung, wieso die
Teuerung ausblieb, wo die Reichen das Geld doch in die Rohstoff-, Devisen- und
sonstigen Börsen hineindrückten, um dort Rendite zu schinden.)
Das Fazit: Es ist nicht das erste Mal, dass sich eine hübsche ökonomische
Theorie als falsch erweist. Aber die Leute, die sich so sehr geirrt hatten,
zogen nicht die Konsequnzen (Krugman in ganz freier Übersetzung: 6, setzen,
hahahahaha).
Tatsächlich gaben die falschen Inflationspropheten einfach nicht zu, dass sie
danebengelegen hatten, und dass demnach was an ihrem ökonomischen Weltbild nicht
stimmt. Ein paar noble Professoren haben Ausreden gefunden, die so ähnlich
klingen wie bei der Erderwärmung, mit Verschwörungstheorien in der Art, dass es
tatsächlich eine hohe Inflation gäbe, nur dass die Regierung die Zahlen schönte.
Im Wesentlichen wird aber die Tatsache der totalen Fehlprognose ignoriert und am
falschen Glauben festgehalten.
Wer sich wundert, dass die Geldtheorie der gleichen Behandlung unterzogen
wird wie die Theorien von Erderwärmung und Evolution, der missversteht den
Antrieb der Neos. Denen geht es nicht um die Klärung von technischen Fragen,
sondern um Glaubensdoktrinen. Und, so Krugman, Geld ist tatsächlich ein Ding des
Glaubens. Diesen nicht ganz originären Gedanken sieht Krugman in vielen rechten
Neos realisiert, jenen Leuten, die strkt gegen Regierungsmaßnahmen sind, komme
was wolle. Die sind anscheinend der Meinung, wenn man der Fed erstmal erlaubt,
Geld zu drucken, dann werden als nächstes die Guthaben konfisziert und 47%
Steuern eingeführt - der Kommunismus droht.
Bei diesem Stand der Dinge wird das Unwort ausgesprochen und die
republikanische Partei genannt (siehe auch Staatsfeindlichkeit der US-Republikaner) und als
Zurück-zum-Gold-Fraktion tituliert. Derlei Ansichten greifen um sich, obwohl die
Irrtümer manifest sind. Krugman schließt mit der Frage, ob dieser Abstieg ins
Reich der Dogmen reversibel sei? Es gebe auch unter den Konservativen
Gegenbestrebungen, die für eine aktive Geldpolitik eintreten, aber nur ganz
geringe. Die meisten Republikaner seien auf der Schiene, wo der Glaube gewinnt,
wenn er auf gegenläufige Beweise trifft. Der abschließende Satz in den Worten
des Autors: When faith — including faith-based economics — meets evidence,
evidence doesn’t stand a chance.
Nun, das sind wir von der Religion schon lange gewohnt. Multipliziert man
dies intellektuelle Defizit mit der Tatsache, dass unsere (Anm. d.h. die bundesrepublikanischen,
die österreichischen sind eher dumm als gläubig oder beides) Regierungspolitiker
allesamt gläubig sind, erhält man ein bedrohliches Produkt aus Ignoranz und
Wunschdenken.
Gläubige können auch als Politiker ihr Gefühl über den Verstand stellen. Wenn
man denen einreden kann, es gäbe einen Gott, einen Himmel, ein Leben nach dem
Tode, eine unsterbliche Seele und sonstige Phantasieprodukte, auf was fallen die
noch alles rein? Bei der Drohung mit dem finanziellen Weltuntergang hat es
geklappt, wie man gesehen hat (Reload 1970). Das wurde sehr, sehr teuer für uns, und wenn man
Krugman folgt, ist der Bereich der glaubensbasierten ökonomischen
Fehlentscheidungen damit noch lange nicht ausgeschöpft. Schlechtes Omen auch
fürs Euroland.
Siehe auch Im
neoliberalen Schraubstock bei atheisten-info.at (5.7., Anm. das war ein
Artikel aus der Solidarwerkstatt
Linz): Das
EU-Konkurrenzregime entmündigt zunehmend die gewählten Parlamente im Bereich der
Budget- und Wirtschaftspolitik. Ein Überblick, wie über ESM, Fiskalpakt, Six
Pack, Two Pack, Europäisches Semester, usw. der Angriff auf Sozialstaat und
Demokratie erfolgt.