Nigel Barber, ist ein Evolutionspsychologe und Autor, der jetzt eine Studie
veröffentlicht (1.8.), in der er überzeugende Beweise präsentieren will, dass
der Atheismus mit steigender Lebensqualität zunimmt. Warum produziert die
moderne Zivilisation Atheismus? Warum konzentrieren sich die Atheisten in den
ökonomisch am weitesten entwickelten Ländern, speziell in den sozialen
Demokratien in Europa?
(Bild: Atheists Agnostics
Zuckerman, Wikimedia Commons.)
Es geht um den Psychology-today-Artikel Why
Atheism Will Replace Religion: New Evidence – The illusion of religion helps
people feel good, despite miserable experiences (14.7.) zuerst veröffentlicht in
The
Human Beast – Why we do what we do. (Warum der Atheismus die Religion
verdrängen wird – Die Illusion der Religion gibt den Menschen gute Gefühle,
trotz der miserablen Erfahrungen.)
Atheismus ist ein modernes Phänomen, seine Verbreitung in der Welt folgt
einem klaren Muster. In Schwarzafrika gibt es praktisch keinen Atheismus (unter
1%), dafür konzentriert er sich in Europa, z.B. in Schweden (64% Nichtgläubige),
Dänemark (48%), Frankreich (44%) und Deutschland (42%).
Man diskutiert seit 80 Jahren darüber, warum das so ist. Die Anthopologen
halten die Naturwissenschaft für einen Ersatz, der mit den Ungewissheiten
unseres Lebens besser umgeht als die Religion. Das wird durch Statistiken
unterstützt, die starke Korrelationen zwischen Atheismus und Intelligenz zeigen.
Atheisten findet man eher unter den Gebildteten und den Stadtbewohnern, also
unter denen, die genug Geld und Sicherheit haben. Und warum? fragt der
Artikel.
Anscheinend fallen die Leute der Religion anheim, um die Schwierigkeiten und
Ungewissheiten ihres Lebens zu meistern. Dazu gibt es in sozialen Demokratien
weniger Anlass (siehe auch Living in states of fear). Wohlfahrtsprogramme,
Gesundheitsvorsorge und soziale Sicherheit nehmen den Menschen die
Notwendigkeit, sich auf religiöse Versprechungen einzulassen.
Der Autor hat eine Studie in 137 Ländern gemacht, die auch noch die
Erkenntnis beisteuerte, dass der Atheismus mit der Steuerquote stieg – weil er
den Entwicklungsstand an dieser Quote festmachte. Wo das Einkommen gerechter
bzw. gleicher verteilt war, fand er auch mehr Atheismus. Natürlich spielt auch
die vorherrschende Religion eine Rolle, unter dem Islam wird Atheismus z.B.
kriminalisiert und unterdrückt.
Die Religion wirkt als Opium fürs Volk, wie Karl Marx zitiert wird, und sie
fördert auch die Reproduktionsquote, vor allem durch den Druck zur frühen
Heirat. (Anmerkung wb: das ist nicht mehr aktuell, genauso wie die Konzentration
der großen Familien in ländlichen Gegenden. Die Statistik in Die
Übervölkerung zeigt überall sinkende Geburtenquoten, so dass sich die stark
religiös kontaminierten Länder auf die Quoten der atheistschen Länder
zuentwickeln - Anm. atheisten-info: Marx sprach vom "Opium des
Volkes", er sah Religion als psychischen Bedürfnisbefriediger in elenden
menschlichen Lagen).
Die Psycho-Funktion der Priester und Schamanen bekommt in modernen Kulturen
Konkurrenz durch Psychologen (auf der Seite von psychology today werden
auch gleich welche angeboten, wb). Moderne Menschen ziehen wissenschaftliche
Hilfe dem Volks-Opium vor. Kein Wunder, wenn der Atheismus mit der Bildung
einhergeht..
Unter Marktgesichtspunkten wird die Entkirchlichung verständlicher. Wenn die
weltlichen Einrichtungen für Lebensqualität sorgen, braucht man die
metaweltlichen nicht mehr. Zugleich wird der Markt mit Konkurrenzprodukten
überschwemmt, Aberglaube, Esoterik, "psychotropic medicines" und "electronic
entertainment", die weniger Anforderungen an sklavische Unterordnung stellen.
Soweit der Artikel bei psychology today.
Eigentlich wird wenig Neues gesagt, aber es ist schön, das in einer
großangelegten Untersuchung bestätigt zu bekommen. Warten wir also darauf, dass
die Religion durch bessere Einsicht verdrängt wird. Stillschweigende
Voraussetzung dabei ist, dass sich die sozialen Marktwirtschaften ausbreiten. Ob
man davon ausgehen darf, erscheint angesichts der vielfältigen asozialen
Bestrebungen allerdings fraglich.
Zu dem Artikel werden ein paar Studien genannt, von wb ergänzt durch Links
zu VB-
Artikel:
1. Barber, N. (in press). A cross-national test of the uncertainty
hypothesis of religious belief. Cross-Cultural Research.
Barber, N. (2012). Why atheism will replace religion: The triumph of earthly
pleasures over pie in the sky. E-book, available at:
http://www.amazon.com/Atheism-Will-Replace-Religion-ebook/dp/B00886ZSJ6/
2. Zuckerman, P. (2007). Atheism: Contemporary numbers and patterns. In M.
Martin (ed.), The Cambridge companion to atheism. Cambridge: Cambridge
University Press. This book is not held by any U.S. Library.
3. Sanderson, S. K. (2008). Adaptation, evolution, and religion. Religion,
38, 141-156.
Kirchenaustritt im Trend
Neuerdings rechtfertigen Nichtgläubige sich wieder!?
Gallup-Umfrage beschämt USA
Österreicher ungläubig
Oder doch ein gottloses Land?
- Link zu atheisten-info-Artikel zum selben Thema
Atheisten-Info-Nachbemerkung: Auch mich freut es, dass die Erkenntnis,
dass die Religionen durch staatliche Daseinssicherungen und Bildungsverbesserungen
Verluste erleiden, auch in wissenschaftlichen Kreisen Einzug hält. Warum
hat schließlich Karl Marx geschrieben, "das religiöse Elend
ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation
gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten
Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände
ist. Sie ist das Opium des Volkes."?
Das Elend der Religion schwindet
eben, wenn das wirkliche Elend schwindet, weil andere Methoden des Protestes
gegen das Elend Wirkung zeigen und wenn die Seufzer der bedrängten Kreatur
weniger werden, weil die herzlose Welt durch einen Sozialstaat mit sozialen
Rechten ersetzt wird und wenn die geistlosen Zustände durch Bildung aufgehoben
werden, dann braucht man das religiöse Scheinopiat offensichtlich immer
weniger...