Die ARD-Tagesschau hat ein "Rätselraten" begonnen: Warum
nur hat Putin die South-Stream-Pipeline-Pläne gestoppt? Auch die BILD-Zeitung
weiß in der Überschrift, dass Putin die Pläne höchstselbst
gestoppt hat. Und natürlich denkt sich die schlaue FAZ noch mehr: Der Pipeline-Stopp
sei "Eine persönliche Niederlage für Putin". Die deutschen
Medien, immer schön um den Regierungskurs schlingernd, sind schlicht vergesslich:
"Wir werden", teilte der EU-Energiekommissar Günther Oettinger
der ungeneigten Öffentlichkeit im Juni mit, "die Gespräche (zur
South-Stream-Pipeline) weiterführen, wenn die russischen Partner sich wieder
an internationales Recht halten." Oettinger war der Bremser, lange vor
Putin. Nur wenige Tage vor dem Oettinger-Stopp traf sich der bulgarische Ministerpräsident,
durch dessen Land die Pipeline führen sollte, mit dem EU-Kommissionspräsident
José Manuel Barroso zu bilateralen Gesprächen. Dabei versicherte
er Barroso, dass die Gaspipeline South Stream im Einklang mit EU-Recht gebaut
werde.
Aber zwischenzeitlich hatten sich die USA die Pipeline angeschaut
und stellten Entsetzliches fest: Eine russische Firma, deren Besitzer von
US-Sanktionen betroffen ist, sollte den bulgarischen Teil der Pipeline bauen!
Wer sich nicht so verhält wie die USA das wollen, der vergeht sich natürlich
an internationalem Recht. Und schon fiel dem Kommissionspräsidenten Barroso
am selben Tag nur Minuten später auf, dass die Kommission ein Vertragsverletzungs-Verfahren
gegen Bulgarien verhängen müsse. Was sollte das arme Bulgarien machen?
Es kapitulierte und wollte die den Russen angekündigte Genehmigung zum
Bau der Pipeline nicht mehr erteilen. Wie besoffen schwankt eine deutsche Öffentlichkeit
seitdem zwischen zwei Polen der Meinungsmache hin und her. Die einen sehen einen
taktischen Sieg von "Putin" gegen die westliche Sanktions-Politik.
Die anderen sehen einen Sieg der EU-USA: Man habe sich klar durchgesetzt.
Ein
Verlierer steht zweifelsfrei fest: Die Bulgaren verlieren durch die Absage
an das große Investitionsprojekt rund 500 Millionen Dollar. Das wäre
für das bitterarme Land nicht nur eine schöne Investitionsspritze
gewesen. Der Pipeline-Bau hätte auch jede Menge Arbeitsplätze bedeutet.
Doch der bulgarische Regierungschef, Bojko Borrissow, ist auf den Westen orientiert.
Auf seiner Facebook-Seite sieht man ihn strahlend an der Seite des Steuervermeidungs-Agenten
Jean-Claude Juncker. Borrissow war lange Jahre von Beruf Schuldeneintreiber.
Man kann für die Bulgaren nur hoffen, dass die EU ihre Schulden wegen des
Pipeline-Ausfalls begleichen werden. Ein weiterer Verlierer hatte sich schon
im Vorjahr herausgestellt: Joschka Fischer. Der wollte für die Atlantiker-Fraktion
in der EU, in Konkurrenz zu den Russen, das Pipeline-Projekt "Nabucco"
bauen und musste den Plan aufgeben: Lieferländer wie Aserbeidschan und
Turkmenistan hatten den Russen und Chinesen bereits größere Gasmengen
zugesagt. Für "Nabucco" wäre da nicht viel übrig geblieben.
Fischer hat dann jüngst ein sehr schlechtes Buch zur EU geschrieben, das
seinen Verdienstausfall als Gas-Lobbyist kaum ausgleichen wird.
Der
"Sieg" der EU-USA soll darin bestehen, dass Russland seine Gas-Leitung
nicht bauen kann und seine Wirtschaft damit geschwächt wird. Heilige
Einfalt. Ein wirtschaftlich schwächelndes Russland wird weniger westliche
Güter importieren - vom Auto bis zur kompletten Fabrik. Wer sich die
Mühe macht, die Exportstatistiken anzusehen, der wird feststellen, dass
die Exporte der EU - zum Beispiel im Jahr 2011 - nach Russland 147 Mrd. US-Dollar
betrugen. Die der USA im selben Zeitraum nur 8,3 Mrd. Dollar. Nur wer mit
Russland zwischen nichts und wenig handelt, wie die USA, kann sich als Gewinner
fühlen. Die Wirtschaft der EU verliert und verliert und verliert.
Das gilt auch, wenn die Firma South Stream Transport, die ihren Sitz in den
Niederlanden und nicht in Russland hat, ihren Betrieb einstellt. Denn Anteilseigner
des Unternehmens sind neben Gazprom (50 Prozent) der italienische Energieversorger
Eni mit 20 Prozent. Und die deutsche Wintershall-Holding und der französische
Energiekonzern EDF halten jeweils 15 Prozent der Anteile.
Aber zum
Ausgleich für den sinkenden Export im zivilen Bereich hat sich die NATO
eine neue Truppe für den Kriegs-Export ausgedacht: Eine schnelle Eingreiftruppe,
eine "Very High Readiness Joint Task Force", genannt "Speerspitze",
soll den Russen bald zeigen, wie sich die EU künftig den Handel zwischen
den Ländern vorzustellen hat. Der steinzeitliche Name gibt einen Hinweis
darauf, wie sich die US-dominierte NATO internationale Diplomatie vorstellt:
Keule auf den Kopf, Speer in die Weichteile. - Nimm dies, Russe!