In Frankreich gibt es keine Blasphemiegesetze, das säkulare Frankreich
hat seit 1905 eine klare verfassungsmäßige Trennung von Staat und
Religion. Religionen sind im säkularen Staat Meinungen und Ansichten wie
alle anderen, nichts daran ist dort heilig, mag auch dem einzelnen Menschen
z.B. sein Vegetarismus heilig sein oder der Morgensport, der Sozialismus, die
freie Marktwirtschaft, Jesus oder der Prophet Mohammed. Vor dem Gesetz ist das
alles gleich und man darf alles kritisieren, auch auf heftige Art.
Darum darf sich z.B. auf dem Umschlag von Charlie Hebdo der Prophet Mohammed
über seine Anhänger ärgern, ohne dass diese satirische Zeichnung
vom Staatsanwalt verfolgt wird:
Text links: Mohammed überwältigt von Fundamentalisten -
Text
in der Sprechblase: es ist schwer, von Idioten geliebt zu werden, gezeichnet
ist die Karikatur von "cabu", Jean Cabut, einem der am 7.1.2015 ermordeten
Redakteure...
Verfolgt kann man dann "nur noch" von Jihadisten werden, die nach
dem islamischen Recht, nach der Scharia handeln: wie im Iran oder in Saudi Arabien
- wo die Scharia Staatsrecht ist - werden die Täter hingerichtet. Was zwar in
den Islamstaaten nicht jede Woche passiert, aber doch immer wieder und was regelmäßig
in unseren Breiten ignoriert wird, weil zu Islamländern, wo das Islamrecht
herrscht, es sich schlecht argumentieren lässt, Hinrichtungen wegen Religionskritik
oder Glaubensabfall hätten nichts mit dem Islam zu tun. Aber
Jihadisten, die in der Redaktion einer satirischen Zeitung in Paris ein Blutbad anrichten,
denen können die Propheten der Toleranz bescheinigen, ihr heiliger Krieg
habe nichts mit dem Islam zu tun, weil der Islam hat nie was mit dem Islam zu
tun, wenn besonders islamisch gehandelt wird.
In Österreich haben wir immer noch einen Gesetzesparagraphen, der heilige
Religionsgefühle beschützt. Der §188 des Strafgesetzbuches lautet:
"Herabwürdigung religiöser Lehren - Wer öffentlich eine
Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden
Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich
zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer
solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt
oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis
zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe
bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."
Gestraft wurden in den letzten Jahren allerdings in Österreich nach
diesem Paragraphen nur noch Leute, die nach Gerichtsansicht Aspekte der Islamlehre
oder des Buddhismus herabgewürdigt hätten. Anzeigen wegen Herabwürdigungen
christlicher Anschauungen wurden in der Regel von den Staatsanwaltschaften zurückgelegt.
Man wollte sich offenbar mit Strafverfahren gegen Deix oder Haderer nicht öffentlich
lächerlich machen. Aber der heilige Mohammed, der durfte nicht herabgewürdigt
werden!
Dabei ist der obige Paragraph ja so schlicht geschnitzt, dass man
ganze Legionen
von religionskritischen Äußerungen damit verfolgen könnte. Auf
atheisten-info wurde schon vor längerer Zeit ein Beispiel angeführt:
Auf dem Cover eines Buches des gelernten protestantischen
Theologen Heinz Werner Kubitza ist zu lesen: "Der Jesuswahn - Wie die Christen
sich ihren Gott erschufen - Die Entzauberung einer Weltreligion durch die wissenschaftliche
Forschung". Bisher hat jedoch noch niemand deswegen eine Anzeige gegen
Kubitza erstattet. Dabei ist allein schon mit dem Buchcover zweifellos der Tatbestand
nach dem Paragraphen 188 erfüllt! Denn Jesus ist ganz sicherlich der "Gegenstand
der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche", es ist ganz sicherlich
"Glaubenslehre", dass er Gottessohn wäre und vom "Jesuswahn"
zu schreiben und zu schreiben, die Christen hätten sich den Jesus-Gott
selber erschaffen, würdigt ganz sicherlich die christliche Lehre herab
und verspottet ihren Inhalt, was geeignet ist, bei strenggläubigen Christen
"berechtigtes Ärgernis zu erregen".
Warum wurde kein Strafverfahren gegen Werner Kubitza eingeleitet und warum
wurde das Buch nicht verboten? Es verstößt doch ganz klar und eindeutig
gegen das Gesetz!
Am 11.1.2015 redete Matthias Strolz,
der Vorsitzende der NEOS, in der ORF-Pressestunde davon, dass nach einer Abkühlungsphase
dieses Gesetz abgeschafft werden sollte.
Eine Abkühlphase braucht es dafür nicht! Der Terroranschlag in
Paris zeigt viel mehr, dass es notwendig ist, der europäischen Aufklärung
auch in Österreich eine deutlichere rechtliche Basis zu geben und den mittelalterlichen
Blasphemie-Paragraphen 188 ersatzlos zu löschen! Und das im Gedenken an
die Opfer des Anschlages sofort durchzuführen! Mehr und nicht weniger Meinungsfreiheit!
Das wäre das richtige Zeichen gegen den religiösen Terror!
Außerdem wäre eine rasche Entrümpelung des Strafgesetzbuches
deswegen wichtig, weil sich - speziell in Leserbriefen - bereits wieder die
Verteidiger der heiligen Religionsgefühle melden, welche die Ermordung
der Charlie-Redakteure auf fehlende Blasphemiegesetze in Frankreich zurückführen
und damit die Morde moralisch rechtfertigen!
PS: Ebenfalls gestrichen werden könnte der § 189 StGB, Störung
der Religionsausübung. Denn es besteht auch keinerlei Grund dafür,
die Religionsausübung extra und getrennt von normalen Versammlungen zu
schützen, es genügt auch für die Religionen und ihre Kulthandlungen
der § 285 StGB "Verhinderung oder Störung einer Versammlung",
es sind ja sogar die Strafen gleich hoch.
PPS: Siehe dazu auch einen im August 2011 auf hpd erschienenen Artikel, "UNO
bekräftigt das Recht auf Gotteslästerung",
demnach empfahl das Human Rights Committee auf der 102. Session im Juli 2011
im General Comment No. 34 im Punkt 48 den Abbau von Blaphemie-§§, einer Forderung, der Österreich
bisher nicht nachgekommen ist.