Die "Humanistische Alternative Bodensee" (HABO) hat dem katholischen
Stadtdekan aus Stuttgart widersprochen, der gegenüber dem SWR zur Diskussion
über das Tanzverbot an den sogenannten "stillen Tagen" beigetragen
hatte, dass das Gedenken des Karfreitags weit über die christliche Tradition
hinausgehe. Der Feiertag besitze nach Ansicht des Theologen auch eine humanistische
Tragweite, weil er dazu diene, über den Tod nachzudenken und sich an Verstorbene
und Opfer von Kriegen und Gewalt zu erinnern.
Der Sprecher der HABO,
Dennis Riehle, erläuterte in einem Schreiben an das Innenministerium des
Landes Baden-Württemberg, in welchem er sich für eine Aufhebung der
Regelung über "stille Feiertage" einsetzt, dass diese Argumentation
schon seit Jahren geführt werde - aber den immer gleichen Kardinalfehler
zutage bringe: "Es geht nicht darum, ob es für den Menschen gut
ist, auch einmal innezuhalten und sich mit der Vergänglichkeit zu beschäftigen.
Viel eher ist es das Diktat der christlichen Kirchen, dieses Gedenken ausgerechnet
auf ihre Feiertage zu legen, was für uns inakzeptabel ist".
Nach
Meinung von Riehle sei es die alleinige Entscheidung jedes Einzelnen, wann er
sich den Freiraum für das Nachdenken und Ruhen nimmt. "Die direkte
Ableitung des Rechts auf die Einschränkung persönlicher Freiheiten
zugunsten 'stiller Feiertage' aus dem Grundgesetz heraus kann ich zudem auch
nicht erkennen. Viel eher stehen ein Tanzverbot oder das Gebot zur Ruhe und
zum Gebet am Karfreitag und anderen ausgewählten Tagen im Widerspruch zu
Art. 140 GG (i. V. m. Art. 136 Abs. 4 WRV), der den Zwang zur Teilnahme an einer
kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit ausdrücklich verbietet".
Riehle
ergänzt überdies: "Dass uns allen Momente der Auszeit und
Erholung, aber auch der Besinnung und des Andenkens gut tun, bestreite ich nicht.
Aber warum soll ich das ausgerechnet an dem Tag tun, der mir von den Kirchen
vorgeschrieben wird? Abgesehen davon, dass der Stadtdekan von Stuttgart
sich ziemlich weit aus dem Fenster lehnt, wenn er auch von einem humanistischen
Wert des Karfreitags spricht (denn trotz mehr als 40 Prozent Nicht-Christen
in Deutschland und religiöser Pluralität und Gleichbehandlung kennen
wir hierzulande keinen gesetzlich zugestandenen Feiertag an Humanisten, Atheisten
oder Konfessionslose), ist es gerade für jemanden, der nicht an Jesus Christus
und seine herausgehobene und bedeutsame Rolle in der Geschichte glaubt, ein
Unverständnis, speziell an diesem Todestag besondere Rücksicht zu
nehmen".
Für das Gedenken an die Toten, an die Opfer von Gewalt
und Krieg gibt es zudem staatliche Gedenktage wie den Volkstrauertag, unterstreicht
Riehle seine Kritik, und fügt abschließend bei: "Kein Christ
muss am Karfreitag tanzen; aber wenn der Tag für mich und meinen Glauben
keine Bedeutung besitzt, dann darf mir an diesem Tag auch Musik nicht verboten
werden. Immerhin zwinge ich auch niemanden, am Geburtstag von Nietzsche oder
Freud eine Party zu schmeißen". Der HABO-Sprecher beendete seinen
Brief mit der Aufforderung an die Landesregierung: "Achten und respektieren
Sie die weltanschaulichen Überzeugungen jedes einzelnen Bürgers –
und beenden Sie Vorschriften zum Nachteil ganzer Bevölkerungsgruppen!".