Die griechische Regierung plant eine Volksbefragung über die weiteren
Kürzungsauflagen, die die Gläubiger von dem Land verlangen. Eigentlich
ein vernünftiger Schritt – dem die Euro-Finanzminister eine klare Absage
erteilen, allen voran Finanzminister Wolfgang Schäuble. Eine Volksbefragung
jetzt findet er abwegig. Damit rückt ein Rauswurf Griechenlands aus der
Euro-Zone näher. Und die Bundesregierung demonstriert, wie sie sich Demokratie
in Europa vorstellt.
Noch mal ganz in Ruhe und der Reihenfolge nach,
um zu verstehen, was sich vor unseren Augen vollzieht: Um vor allem die deutschen
Banken zu bedienen und die Finanzstabilität der Euro-Zone zu sichern, erhielt
Griechenland seit 2010 Milliardenkredite von der EU und dem Internationalen
Währungsfonds (IWF). Im Gegenzug musste es Ausgaben streichen, Steuern
erhöhen, Hunderttausende Beschäftigte entlassen, die Löhne kürzen
und so weiter. Es war das schärfste Kürzungsprogramm eines westlichen
Staates seit dem Zweiten Weltkrieg.
Entgegen den Vorhersagen der Gläubiger
führte dies in die – absehbare – Katastrophe, wie ein Rettungsring aus
Blei: Die Wirtschaftsleistung Griechenlands schrumpfte um ein Viertel, die
Arbeitslosenquote stieg nahezu bis 30 Prozent, ein Drittel aller Griechen gilt
heute als arm. Aufwärts ging es dafür mit der Schuldenquote. Um diese
Schulden zu bedienen, gaben EU und IWF immer mehr Kredite, für die sie
weitere Kürzungen und Entlassungen forderten.
Im Januar 2015
kam zu Neuwahlen, bei denen das Linksbündnis Syriza gewann mit dem Versprechen,
die tödliche Kürzungspolitik zu beenden und einen dringend notwendigen
Schuldenschnitt einzufordern.
Monatelang wurde verhandelt. Die Gläubiger
seien "frustriert" von der griechischen Regierung, hieß es immer
wieder. Das mag sein. Es mag auch sein, dass zuweilen die griechischen Delegierten
ruppig auftraten, den Gläubigern Vorträge über Ökonomie
hielten, keine Krawatte trugen und sich nicht mal das Hemd in die Hose steckten.
Es
stimmt aber nicht, dass sich Athen in den Verhandlungen nicht bewegte. Tatsächlich
ist die griechische Regierung weit auf die Gläubiger zugegangen. Der letzte
Vorschlag von vergangener Woche beinhaltete so viele Kürzungen, dass zweifelhaft
war, ob sie ihn überhaupt in der eigenen Fraktion und Partei durchkriegt.
Doch den Gläubigern reichte das nicht, sie lehnten das Angebot ab und
stellten Forderungen, die der griechischen Wirtschaft den Rest gegeben hätten.
Das Volk sollte stärker belastet und Steuerhöhungen für Unternehmer
gestrichen oder abgemildert werden.
Diesen Forderungen konnte die griechische
Regierung nicht zustimmen. Daher will es nun die Bevölkerung fragen,
ob sie die Forderungen der Gläubiger akzeptiert. Um die Volksbefragung
durchzuführen, hat Griechenland eine Verlängerung des Kreditprogramms
um eine Woche beantragt. Eine Woche!
Doch die EU lehnt das ab. Mit
der Volksbefragung, so heißt es von den Ober-Demokraten, sei das Vertrauen
endgültig zerstört. Athen nehme die griechische Bevölkerung
"in Geiselhaft", wetterte Außenminister Frank-Walter Steinmeier
(SPD). Eine irre Logik. Nebenbei bemerkt: Noch im Mai befand Schäuble,
ein Referendum könne "sinnvoll" sein.
Nun setzen EU und
IWF die Daumenschrauben an, Kreditzusagen werden zurückgezogen, ein Euro-Austritt
Griechenlands droht, besser gesagt: ein Euro-Rausschmiss. Niemand weiß,
wie es jetzt weitergeht, Automatismen und Sachzwänge gibt es nicht.
Eindeutig
ist jedoch die Botschaft, die die Bundesregierung an den Rest Europas sendet:
Wir wollen, dass Kürzungsprogramme wie die Agenda 2010 und die massive
Beschneidung des Rentensystems hierzulande als Graupause für Europa akzeptiert
werden. Merkel und Schäuble verlangen, dass sich dem die anderen zu unterwerfen
haben. Der Export deutscher Sozialkürzungen sei nicht verhandelbar. Es
ist das alte Lied: Es gibt keine Alternative. Und eine linke oder eine soziale
schon gar nicht. Das wird am Fall Syriza demonstriert – und Europa sollte genau
zuhören.