Nachdem das Verwaltungsgericht für Wien (VGW) Anfang Juni 2015 die behördliche
Untersagung der Gründung von "Letzte Hilfe - Verein für selbstbestimmtes
Sterben" bestätigt hat, brachten nun die Vereinsgründer Prof.
Heinz Oberhummer und Eytan Reif gegen den ursprünglichen Bescheid der Landespolizeidirektion
Wien beim Österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Beschwerde
ein.
Im Dokument werden gleich mehrere Grundrechtsverletzungen
beanstandet:
So wird neben einer Verletzung des verfassungsrechtlich
mehrfach gesicherten Gleichheitsgebots eine Verletzung des Rechts auf Vereinsfreiheit
(Art. 12 Staatsgrundgesetz, Art 11 EMRK sowie Art. 12 EU-Grundrechtscharta)
sowie auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK sowie Art 7 der EU-Grundrechtscharta)
behauptet.
Die Beschwerdeführer, die auch 30 weitere Mitgründer
vertreten, betrachten eine Befassung des VfGH mit der Materie als "demokratiepolitisch
unausweichlich". Prof. Heinz Oberhummer, der auch Obmann der "Initiative
Religion ist Privatsache" ist, dazu:
"Dass sämtliche Parlamentsparteien
im Rahmen der Enquetekommission 'Würde am Ende des Lebens' eine offene
Diskussion über den assistierten Suizid verweigerten, veranschaulicht wie
sehr die Sterbehilfedebatte in Österreich von der Katholischen Kirche monopolisiert
und unterdrückt wird. In dieser Sache wird die Republik von der Kirche
schlicht und ergreifend in Geiselhaft gehalten, während alle Bürgerinnen
und Bürger, ungeachtet ihrer Weltanschauung, bevormundet werden. Diese
Beschwerde soll daher die vorliegende Wertedebatte durchbrechen".
Unterstützung
erhalten die Beschwerdeführer auch vom Verfassungsjuristen Heinz Mayer,
der die gestellten Forderungen treffend auf den Punkt bringt: "Meine
letzte Entscheidung treffe ich alleine. Der Staat soll mich dabei in Ruhe lassen".
Für Initiativesprecher Eytan Reif gilt bereits die Notwendigkeit, den VfGH
mit der Sache zu befassen, als "Bankrotterklärung des österreichischen
Parlamentarismus," da "politische Feigheit den Gesetzgeber nicht von
der Pflicht entbindet, heikle Themen sachlich zu behandeln und entsprechend
zu verrechtlichen". In diesem Zusammenhang verweist Reif insbesondere
auf die Empfehlung der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, die die Straflosigkeit
des assistierten Suizids - zumindest unter bestimmten Voraussetzungen - fordert.
"Nicht ohne Grund forderten namhafte Juristen im Rahmen der Enquetekommission
eine ergebnisoffene Debatte über den assistierten Suizid und warnten vor
einer Verlagerung der Sterbehilfegesetzgebung vom Parlament in den Gerichtssaal.
Mangels einer zufriedenstellenden gesetzlichen Regelung wird dieses Thema Gerichte
- auch außerhalb Österreichs - noch öfter beschäftigen"
so Reif.
In der Beschwerde wird der VfGH bereits ersucht, den Europäischen
Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens klären
zu lassen, ob §78 des Strafgesetzbuches (Verbot der "Beihilfe zum
Selbstmord") nicht EU-Grundrechtscharte verletzt. Ferner wird infrage gestellt,
dass §12*) des Vereinsgesetzes, das von der Behörde als gesetzliche
Grundlage für die polizeiliche Untersagung der Vereinsgründung herangezogen
wurde, mit Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar
sei. Das Verfahren um die Gründung von "Letzte Hilfe - Verein für
selbstbestimmtes Sterben" (www.letztehilfe.at) wird von der "Initiative
Religion ist Privatsache" unterstützt und mitfinanziert.
*)
Anmerkung atheisten-info: Im §12 heißt es "...dass die Gründung eines Vereins nicht gestattet wird,
wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre."
Was z.B. bedeuten würde, dass seinerzeit als gelebte Homosexualität
oder ein Schwangerschaftsabbruch noch strafbar waren, Vereine, die gegen diese
Strafbarkeiten aufgetreten wären, untersagt hätte werden müssen...