Das ZDF und die roten Linien des Imperiums

Autor: Flo Osrainik am 31. August 2015 auf www.rationalgalerie

Gekauft: Die Milliardäre und der US-Wahlkampf

Im September letzten Jahres kam eine Studie der Universität Princeton zu dem Ergebnis, dass die USA von starken Wirtschafts-Organisationen sowie einer kleinen Zahl einflussreicher Amerikaner regiert wird und die Mehrheit der Amerikaner nur geringen bis gar keinen Einfluss auf die US-Politik hat. Die Studie mit dem Titel "Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens" von Martin Gilens und Benjamin I. Page widerlegt, dass die US-Politik nach dem Willen des Volkes handelt und steht in Widerspruch zu den US-geführten Kriegen unter dem Label der Demokratie.

Anders gesagt: die USA sind keine Demokratie (mehr?), sondern eine Oligarchie, eine Staatsform in der eine kleine Gruppe die politische Herrschaft ausübt. Diese Erkenntnis drang auch bis zu Ulf Röller, Auslandskorrespondent und verantwortlicher Leiter des ZDF-Studios in Washington DC, durch. Am 07. August 2015 sendete das heute-journal seinen kritischen Beitrag "Gekauft: Die Milliardäre und der US-Wahlkampf" über den Einfluss der Oligarchen Charles und David Koch auf die US-Politik. Eine knappe Milliarde Dollar wollen die beiden Brüder für den bereits angelaufenen Präsidentschaftswahlkampf 2016 ausgeben, "um einen Republikaner im Weißen Haus zu platzieren", heißt es in dem dreiminütigen Bericht von Ulf Röller. Und "natürlich zahlen sich die Spenden aus", sagt Norm Ornstein von der US-Denkfabrik "American Enterprise Institute" in einem Ausschnitt des Beitrags.

Insgesamt brachte der Bericht dem ZDF im Nachgang wohl zu viele kritische Fakten über das US-System und die Kochs, die hunderte US-amerikanischer Politiker finanzieren sollen, denn der Beitrag wurde aus der ZDF-Mediathek gelöscht, genauer gesagt herausgeschnitten und durch eine Einspielung über Flüchtlinge vom Balkan ersetzt. Ulf Röller schreibt auf twitter, dass das ZDF keine Internetrechte für das "fox-news-material" hatte. Dreißig Sekunden waren die Bilder von Fox zu sehen. Das ZDF hätte die entsprechende Stelle ausblenden oder die Rechte von Fox erwerben können. Die Behauptung ist fragwürdig, da dass ZDF diverse andere Beiträge mit Material von Fox, wie in dem Bericht "TV-Duell - oder die große Trump-Show?" vom 06. August 2015 in seiner Mediathek listet. "Möglicherweise ist die ganze Begründung jedoch auch nur vorgeschoben, denn Zitatrecht und Fair Use-Regeln erlauben normalerweise das Einbetten von Videoschnipseln anderer Sendeanstalten in eigene Beiträge", schreibt RTDeutsch.

Im Fall um den Beitrag von Ulf Röller besteht der Eindruck, dass das ZDF eine rote Linie überschritten und kurz darauf, ob von sich aus oder auf Druck von außen, politische Selbstzensur begangen hat. Bemerkenswert ist, dass kein anderes deutsches Leitmedium die US-Oligarchie als solche bezeichnet oder über die ZDF-Zensur berichtet. In seinen besseren Zeiten, im Mai 1965, zitierte der Spiegel Paul Sethe, Journalist und Mitgründer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, mit den Worten: "Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten."

Da sich die Umstände durch Kommerz und Medienkonzentration seither eher verschlechtert haben, hat der geschickte, um seinen Arbeitsplatz bangende und in der Regel der letzten Jahre zu den "working poor" zählende Journalist - nach Kurt Tucholsky - eine Waffe, um seinen Arbeitsplatz zu sichern: "das Totschweigen". Für Karrieresprünge bleibt die Möglichkeit sich zu verkaufen. Noch deutlicher drückte sich John Swinton, ehemaliger Journalist der New York Times aus: "Die Aufgabe der Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, gerade heraus zu lügen, zu verdrehen, zu verunglimpfen, vor den Füßen des Mammons zu kuschen und sein Land und seine Rasse um sein tägliches Brot zu verkaufen. Sie wissen es und ich weiß es. Was für eine Narrheit ist dieses Trinken auf eine unabhängige Presse!"

Im Kampf um die öffentliche Meinung steht
- das noch immer besetzte - Deutschland, und mit ihm das öffentlich-rechtliche ZDF, als eine der größten Sendeanstalten Europas, wie die Erfahrungen aus der NSA-Überwachung zeigen, bedingungslos an der Seite des US-Imperiums. Ein Beitrag über die antidemokratischen Strukturen in den USA geht im Kampf um die Köpfe offensichtlich zu weit in die falsche Richtung. Die US-Botschaft veröffentlichte in diesem Monat eine Stellenausschreibung zur "Unterstützung der Public Relations". Genauer gesagt geht es um "die Entwicklung von Kampagnen in den Sozialen Medien zu verschiedenen Themenbereichen sowie die Beobachtung externer Blogs und Plattformen sozialer Medien".

Auf Stellenbeschreibungen dieser Art kann sich jeder seinen eigenen Reim machen. Der Philosoph René Descartes meinte jedenfalls: "Wenn auch die Fähigkeit zu täuschen ein Zeichen von Scharfsinn und Macht zu sein scheint, so beweist doch die Absicht zu täuschen ohne Zweifel Bosheit oder Schwäche."