Am Samstag, um 7.30 Uhr, treffen sich die Finanzminister der 11 EU- Länder, die eine Finanztransaktionssteuer (FTT) einführen wollen, in Luxemburg zum Frühstück am Rande des informellen Treffens der EU- Wirtschafts- und Finanzminister. Dort soll der gordische Knoten zerschlagen werden, der seit vier Jahren den FTT-Vorschlag der EU- Kommission blockiert. Eine Einigung auf die Steuerbasis - also welche Finanzprodukte besteuert werden sollen - steht kurz bevor. Damit kann die EU-Kommission den Text der FTT-Richtlinie finalisieren. Die Einigung auf die Steuersätze soll erst bei einem weiteren Treffen erfolgen. Mehrere Mitgliedsländer wollen jedoch in Luxemburg noch Sand ins Getriebe streuen. Doch vor allem enthält der Kompromissvorschlag einen schmutzigen Trick.
Der Durchbruch für die Finanztransaktionssteuer wäre ein großer
Erfolg der Zivilgesellschaft, die Jahre lang für diese Steuer gekämpft
hat. Der Macht von Banken und Börsen wäre an entscheidender Stelle
eine Grenze gesetzt.
Aber: Es besteht die Gefahr, dass die Finanztransaktionssteuer
durch ein Schlupfloch zum zahnlosen Tiger verkommt. Seit Jahren sind die
Verhandlungen blockiert, vor allem weil die sozialdemokratischen Regierungen
Frankreichs und Italiens die Besteuerung der Derivate
blockierten. Damit wollten sie den Großteil der Finanzumsätze von
der Steuer befreien. Präsident Hollande hat im Januar die französische
Position korrigiert und sich für die Besteuerung der Derivate ausgesprochen.
Die Beteuerung von Hollande, auch Derivate zu besteuern, war offenbar nur Augenwischerei.
Jetzt
haben sich mehrere Finanzministerien offensichtlich einen milliardenschweren
Trick einfallen lassen: Mit der sogenannten "market maker"-Ausnahme
soll ein Schlupfloch für den außerbörslichen Derivatehandel
geschaffen werden. Mit dieser Ausnahme würde die Finanztransaktionssteuer
zu einem politischen Täuschungsmanöver werden. Wird der außerbörsliche
Derivatehandel von der Steuer ausgenommen, dann bleiben große Teile der
Derivateumsätze weitehin unbesteuert. Mit dieser Regelung hätte Frankreich
seinen Willen unauffällig durch die Hintertür durchgesetzt. Diese
Steuerbefreiung für den Großteil der spekulativen Umsätze hebelt
den Sinn der Finanztransaktionssteuer aus, gleichmäßig alle Umsätze
zu besteuern. Zudem werden so außerbörsliche Finanzumsätze gegenüber
dem Handel an den Börsen begünstigt. Das zerstört fairen Wettbewerb
und erweist dem Ziel der neuen EU-Derivate-Regulierung einen Bärendienst,
den Handel an die transparenten Börsen zu holen. Schon die geplante
Steuerbefreiung für den Handel mit Staatsanleihen und direkt von ihnen
abgeleiteten Derivaten ist eine deutliche Einschränkung der Finanztransaktionssteuer.
Bundesfinanzminister
Schäuble muss sich weiterhin für eine umfassende Besteuerung aller
Finanzprodukte einzusetzen. Schäuble muss in den Verhandlungen klar machen,
dass mit dieser Ausnahme für Derivate eine rote Linie überschritten
wäre.
Ebenso darf Belgiens Vorschlag, eine Extrawurst für Lebensversicherungen
und Pensionsfonds zu schaffen, keine Mehrheit finden. Damit wird die Erhebung
der Steuer verkompliziert und fairer Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern
untergraben. Der Erwerb von Staatsanleihen soll ohnehin von der Finanztransaktionssteuer
ausgenommen werden, so dass weitere Ausnahmen auch für die Versicherungsbranche
nicht zu rechtfertigen sind.